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Konsumentenerwartungen an Verpackungen in Zeiten von Corona

Dass die Covid19-Pandemie gerade während der ersten Lockdown-Phase wie ein Brennglas gewirkt hat, ist längst zu einem geflügelten Wort geworden. Lässt sich das auch bei Verpackungen sagen? Hat die Corona-Krise also etwas an Verbrauchereinstellungen und -erwartungen gegenüber Verpackungen verändert? Mit dieser Frage startete Claudia Fasse, Geschäftsführerin von Fasse+Bieger und Moderatorin des ersten Tages bei der dvi-Dialogwoche, die Diskussion.

Die Antwort, das zeigte sich in der Expertendiskussion schnell, ist ein klares Jein.

Die Antwort lautet Ja, wo es um die grundsätzliche Wahrnehmung von Verpackungen geht. Nein lautet die Antwort dort, wo die grundlegenden Aufgaben und Herausforderungen im Mittelpunkt stehen. Im Fokus hier: Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.

Wahrnehmung von Verpackung und Kunststoff

Diana Uschkoreit, Geschäftsführerin von BellandVision GmbH, stellte fest, dass Corona bei Verbrauchern zu neuem Nachdenken über das Thema Verpackungen geführt hat. Ihrer Erfahrung nach denken Verbraucher jetzt mehr und vor allem differenzierter über Verpackungen nach. Sie sehen dabei auch wieder die Funktionen und Vorzüge von Verpackungen. Beispielsweise, wenn es darum geht, dass Verpackungen Lebensmittel und Produkte schützen und haltbar machen. Verpackungen werden nicht länger nur als „unnütz“ angesehen.

Auch Stefan Dierks, Director Sustainability Strategy, Melitta Group Management GmbH & Co. KG, berichtete von einer veränderten Wahrnehmung durch Konsumenten, insbesondere in Bezug auf Kunststoff. Wo vorher in einem schwarz-weiß-Denken vorwiegend schwarz gedacht wurde, habe die Infektionsschutzwirkung von Kunststoff zu einer relativierten Betrachtung geführt.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband betonte, dass es DEN Verbraucher so nicht gebe, genau, wie es nicht DAS böse Plastik gebe. Was es dagegen gibt, sind Probleme wie beispielsweise zu viele Plastikabfälle in der Umwelt. An eine tiefgreifende Veränderung im Bereich Verpackung durch Corona glaubt Müller nicht. Das betreffe eher Branchen wie die Flug- und Tourismusbranche. Es sei inzwischen wissenschaftlich erwiesen, dass Verpackungen und Lebensmittel bei der Übertragung des Virus keine Rolle spielten. Deshalb gebe es bei Verpackungen auch kein Corona-Problem.

Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Rezyklat

Müller wies darauf hin, dass die Nutzung von Verpackungen dort zu einem Dilemma wird, wo wir Verpackungen übermäßig gebrauchen. Hier müsse zuvorderst darauf geachtet werden, auf überflüssige Verpackungen zu verzichten. Verbraucher seien dann zufrieden mit Verpackungen, wenn sie auf das Nötigste beschränkt seien, als Mehrweglösung angeboten würden oder nach Gebrauch in den Kreislauf eingebracht würden. Dabei gelte: Je einfacher die Lösung sei und je geringer der Aufwand für Trennung und Entsorgung für den Verbraucher, desto besser würde die Lösung angenommen und damit funktionieren. Das verwendete Material sei den Menschen am Ende nicht so wichtig.

Auch Stefan Dierks berichtete von einem veränderten Bewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Das habe mit der Pandemie zu tun, aber auch mit anderen Faktoren wie der spürbare Klimawandel. Immer mehr Menschen werde bewusst, dass wir nicht einfach so weitermachen könnten, wie bisher. Allerdings gebe es auch viele, die ihre Gewohnheiten nicht ändern wollten. Deshalb brauche es eine Ausweitung des konstruktiven Dialogs. Komplexe Probleme ließen sich nicht mit einfachen Lösungen bekämpfen. Was nötig sei: Ohne Scheuklappen nachdenken, auch über Kunststoff. Wo sind Kunststoffe eine auch ökologisch sinnvolle Lösung? Und wo kann man ohne funktionale Einbußen auf Verpackungsaufwand verzichten?

Diana Uschkoreit wies darauf hin, dass es schwierig sei, Verpackungen nachhaltig zu gestalten und Rezyklate zu verwenden, wenn es eine Schere zwischen Verbraucher-Willensbekundung und Verbraucher-Kaufentscheidung gebe. Nachhaltige Verpackungen seien halt meist nicht günstiger, als konventionelle Lösungen und zu oft entscheide am Regal am Ende nur der Preis. Deshalb brauche es mehr Information, Aufklärung und Motivation für Verbraucher. Hier sei auch die Politik gefordert, die entsprechenden Anreize zu schaffen.

Auch Klaus Müller betonte die Bedeutung von Anreizen und die Rolle der Politik. Sie müsse einschreiten, wenn ein als richtig erkannter Weg - wie beispielsweise die Verwendung von Rezyklat - sich nicht rechne. Ein aktuell prominentes Beispiel hier: Die niedrigen Preise für Rohöl als Ausgangsmaterial für Virgin-Kunststoff im Vergleich zu den Kosten für Kunststoffrezyklate. Für Müller ist klar: Wenn ich beim Bäcker die Wahl zwischen einem relativ teuren Mehrwegbecher und einem extrem billigen Einwegbecher habe, muss ich die gewünschte Wahl des Verbrauchers über Preissignale beeinflussen. Was gut und richtig ist, darf nicht teurer sein als das, was nicht erwünscht und belastend ist.

Müller plädierte dafür mehr Mehrwegsysteme zu schaffen und Verbraucher besser zu informieren. Es sei sinnvoll, zu trennen und zu recyceln. Zu viele Menschen glaubten aber noch an das falsche Vorurteil, dass am Ende ohnehin alles nur verbrannt würde. Auf der anderen Seite müssten die Lösungen klar und einfach in den Lebensalltag der Menschen zu integrieren sein. Gehört die Tiefkühl-Spinatverpackung zum Papier oder in den gelben Sack? Was ist mit der Bäckertüte mit Sichtfenster? Müllers Fazit: Je besser, verfügbarer und einfacher die Lösungen sind, desto mehr werden sie verwendet. Der Peis darf die Bemühungen am Ende aber nicht konterkarieren.

Einig war die Expertenrunde darüber, dass Entwicklungen nicht dazu führen dürfen, dass die Menschen am Ende auf recycelbare Kunststoff verzichten, aber dafür zu Lösungen greifen, die zwar plastikfrei, aber nicht recycelbar sind.

In Bezug auf Rezyklat wie Diana Uschkoreit darauf hin, dass es aktuell noch immer an Anwendungen und Nachfrage fehle. Was bringe es, Kunststoff zu recyceln, wenn man am Ende auf riesigen Bergen von Rezyklat sitzen bleibe? Am Verbraucher werde es nach Ansicht von Klaus Müller am Ende nicht liegen. Umfragen des Verbraucherzentrale Bundesverband hätten ergeben, dass sich bis zu 70 Prozent der Konsumenten mehr Rezyklat bei Verpackungen wünschten.

Programm für Tag 2 / Dienstag:

Smart anpassen – Umdenken in der Coronakrise

Mit Holger Richter, Förder- und Finanzberatung im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Rudolf Jeschenko, Gesellschafter, Jeschenko MedienAgentur Berlin GmbH

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