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Nachhaltigkeit nach der Zeitenwende: Marken, Hersteller und Politik diskutierten auf dem Deutschen Verpackungskongress Strategien und Wege.

Rund 230 Teilnehmer trafen sich am 30. und 31. März 2023 auf Einladung des Deutschen Verpackungsinstituts e. V. (dvi) beim 18. Deutschen Verpackungskongress in Berlin. In Vorträgen, Dialogformaten und Workshops adressierte das „Gipfeltreffen der Branche“ mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik den Status der Verpackungswirtschaft nach der Zeitenwende, Nachhaltigkeitsstrategien führender Hersteller und Marken sowie die aktuellen Pläne der Regulierer aus Brüssel und Berlin. Außerdem zeichnete das Netzwerk der Verpackungswirtschaft das Lebenswerk von Alfred T. Ritter mit dem Dieter Berndt Preis aus. Zum Start des Kongresses hatte das dvi Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage zu zentralen Themen rund um die Verpackung veröffentlicht.

Nach zwei Jahren im digitalen Raum fand der 18. Deutsche Verpackungskongress dieses Jahr unter dem Motto „Wie VUCA die (Verpackungs)welt verändert“ wieder als Präsenzveranstaltung statt. „Wir waren gespannt, wie das Angebot angenommen wird und sind mit einer Rekordteilnehmerzahl belohnt worden. Jeder Stuhl unseres Gipfeltreffens im dbb Forum Berlin war besetzt. Wir hatten Inhalte, die für zwei Kongresse gereicht hätten und das Feedback unserer Teilnehmer ist wirklich außerordentlich gut“, freut sich dvi-Geschäftsführerin Kim Cheng.

Staatssekretär: Transformationen gemeinsam gestalten und schaffen

Die Keynote des Kongresses gab der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Michael Kellner (B90/Die Grünen). Aufgrund der Verkehrslage durch den Besuch des britischen Königs war der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung kurzerhand in die U-Bahn gesprungen, um den Kongress (fast) pünktlich zu eröffnen.

In seinem Vortrag sagte Kellner zum Start: „Wir wissen wie notwendig Verpackungen sind um Waren zu schützen und Hygiene sicherzustellen. Klar ist: Wir brauchen Verpackungen – möglichst ressourcensparend, möglichst klimaneutral und dabei alle Erwartungen der Kette treffend. Aber nicht jede Verpackung ist sinnvoll und notwendig. Eine unserer großen Herausforderungen ist die Kreislaufwirtschaft. Wir müssen Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Die Ressourcen müssen im Kreislauf geführt werden. Deshalb bin ich froh, heute hier zu sein und mit Ihnen darüber zu sprechen. Denn Sie haben in dem Bereich viel Erfahrung und Kompetenz.“

Kellner sprach davon, dass „die deutschen Unternehmen wahnsinnig gut in der Forschung und bei Pilotprojekten ist. Was uns weniger gut gelingt, ist Skalierbarkeit und Durchsetzung in der Fläche.“ In seinen Augen ist die Circular Economy ein „wahnsinniger Booster für die Branche“, da sie das Thema Verpackung genau wie die Bedeutung der Branche in den Fokus rücke.

Einen entscheidenden Punkt bei der Kreislaufwirtschaft der Verpackung sieht Kellner in der Erhöhung des Recyclinganteils bei Kunststoffverpackungen und einem höheren Rezyklatangebot. Das sei auch wirtschaftlich geraten und ein Wettbewerbsvorteil.

Kellner streckte der Branche zum Abschluss die Hand aus: „Ich möchte gerne gemeinsam an der Gestaltung dieser Aufgaben arbeiten und freue mich auf weiteren Austausch mit Ihnen. Mein Anliegen ist es, die Transformationen mit Ihnen gemeinsam zu gestalten und zu schaffen.“

Im anschließenden Talk mit dvi-Geschäftsführerin Kim Cheng und den Kongressteilnehmern mahnte Cheng, dass die Verpackung auch öffentlich den Wert zugemessen bekommen müsse, den sie habe. Solange die Menschen diesen Wert nicht erkennen, würden sie entsprechend achtlos damit umgehen. „Verpackungen sind aber kein Abfall, sie sind Produkt- und Umweltschützer und wertvolle Sekundärrohstoffe“, so Cheng.

Von Seiten des Auditoriums wurde insbesondere die Notwendigkeit von Planungssicherheit an den Staatssekretär herangetragen. Dabei standen ungeklärte Fragen der neuen Packaging and Packaging Waste Regulation im Mittelpunkt.

Kim Cheng wies darauf hin, dass entscheidende Festlegungen beispielsweise zur Definition von „Recyclingfähigkeit“ auf sogenannte „delegated acts“ verschoben würden, die zu einem unbestimmten Zeitpunkt durch nationale Entscheider auszuführen seien. Dadurch bestehe abgesehen von der Frage, wann dies geschehe, die Gefahr einer Vielzahl unterschiedlicher nationaler Regelungen in Europa. Kellner zeigte zwar Verständnis für die Argumente, betonte jedoch die Vorteile der Regelungen über „delegated acts“. „Wir wollen bewährte Lösungen und Geschäftsmodelle nicht killen. Da ist der nationale Spielraum für uns gut.“ Das gelte ausdrücklich auch beim Thema Mehrweg. „Wir haben das Interesse einheitlicher Standards für den Binnenmarkt. Aber wir wollen auch die Möglichkeit haben, das, was wir national schon erreicht haben, zu bewahren“, so Kellner.

Von Seiten der dvi-Vorständin und Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit der Procter & Gamble Service GmbH, Gabriele Hässig, wurde der Wunsch an die Politik geäußert, dass „das Wort Innovationsoffenheit kein verbranntes Wort wird. Wir brauchen viel, viel mehr Rezyklat. Dafür braucht es Offenheit, Modelle zu überdenken und es braucht einen Binnenmarkt, damit über Skalierung die Kosten zu bewältigen sind.“ Die Antwort von Michael Kellner: „Da stimme ich voll zu. Ich nehme im Verpackungsbereich sehr viel Kreativität, Gründergeist und Innovationskraft wahr. Und ich fühle Dringlichkeit beim Blick auf den Verlust von Biodiversität und das Klima. Wir haben bereits mehr Mittel für Wagniskapital bereitgestellt. Die Frage ist, wie können wir das noch mehr unterstützen. Da bin ich total offen, denn wir brauchen auch mehr Geschwindigkeit.“ 

Transformation und Wettbewerbsfähigkeit

Kongress-Moderatorin Claudia Fasse, Geschäftsführerin der Fasse + Bieger Strategische Kommunikation, hatte in Ihrer Anmoderation darauf hingewiesen, dass es am Vormittag des ersten Kongresstages um die Frage gehe, wie es gerade energieintensive Unternehmen schaffen könnten, die Transformation ohne Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zu bewältigen. 

Dr. Frank Heinricht, Vorsitzender des Vorstandes, SCHOTT AG zeigt den Teilnehmern in seinem Vortrag ein energieintensives Spezialglas-Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität 2030 – trotz Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Material- und Rohstoffkosten sowie Inflation und steigender Preise.

„Als Spezialglashersteller benötigt SCHOTT viel Energie. Bei Schmelztemperaturen von 1.700 °C für Spezialglas habe man 2019 einen Fußabdruck von 1 Million Tonne CO2e hinterlassen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität 2030 wollen man über vier Handlungsfelder klimaschädliche Emissionen vermeiden, reduzieren oder kompensieren. Dafür setze man auf Technologiewandel, Energieeffizienz, Grünstrom und Kompensation.

Im Zentrum des technologischen Wandels stehen der Ersatz von Gas durch grünen Strom, Grünen Wasserstoff sowie Biogas. In einer ersten Pilotanlage zur weitgehend CO2-freien Herstellung von Aluminosilikatglas haben man den Treibhausgasausstoß des Unternehmens bereits um über 60 Prozent reduzieren können. Über das neue Konzept für die Pharmaglasproduktion werde man eine Reduktion von über 90 Prozent erreichen.

Ein Pionierprojekt für die Glasindustrie sei die Wasserstoff-Beimischung in industriellem Maßstab. Die ersten Ergebnisse seien sehr vielversprechend. Die Tests würden ausgeweitet, um notwendige Erfahrungen für die Skalierung zu sammeln.

Zum Thema Kompensation sagte Heinricht: „Wir werden bis 2030 nicht auf null kommen. Die Aggregate haben eine lange Lebensdauer und es wird dauern, bis wir alle ersetzt haben.“ Außerdem sei die Verfügbarkeit nicht optimal. „Ein Trafo hat zwei bis drei Jahre Lieferzeit – wenn ihn die Stadtwerke überhaupt liefern können. Deshalb geht es auch um das Thema Kompensation – mit einem klaren Fokus auf die Qualität der Kompensation. Unsere Vision ist es, am Ende einen eigenen Wald zu haben. Unter anderem damit wollen wir auch für die nächste Generation gut aufgestellt sein.“

An die Politik wandte sich Heinricht mit einem abschließenden Appell: „Mein Wunsch an die Politik: Wir reden viel über Roadmaps, aber am Ende wird viel abgestellt und es passiert zu wenig und das zu langsam. Wir brauchen Planungssicherheit und Stabilität für unsere Geschäfte.“

Dr. Peter Biele, CEO von thyssenkrupp Rasselstein, präsentierte den Teilnehmern die erste Lebensmitteldose aus Stahl, der zu 69 Prozent CO2-reduziert ist. Dieser Fortschritt sei durch Anstrengungen in Scope 1 und 2 möglich gewesen. Auf Scope 3, also beispielsweise den Schiffsdiesel für Wegstrecken von Südamerika nach Europa, haben man aktuell noch keinen Einfluss. Für Scope 1 und 2 jedoch bringe man die 400.000 Tonnen CO2 des Standorts Andernach auf null. Dafür setze man auf die „Brücke Wasserstoff“.

Bis zum Jahr 2045 will thyssenkrupp Steel nach Auskunft von Biele 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Das entspräche etwa der zehnfachen Menge des innerdeutschen Flugverkehrs oder der Umstellung von 10 Millionen PKW auf E-Antrieb. Benötigt würden dafür rund 720.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr sowie 3.800 Windräder für die H2-Elektrolyse.

An der Dekarbonisierung der Primärstahlerzeugung geht nach Ansicht von Biele kein Weg vorbei. Denn einerseits sei Stahl zwar ein endlos recycelbares Material, jedoch käme nur ein Vierteil der eingesetzten Menge in das Recycling zurück. Ein großer Teil sei sogenannte „ewiger Stahl“, der beispielsweise beim Bau von Gebäuden Verwendung fände und dort verbleibe. Da die Welt jedes Jahr rund zwei Milliarden Tonnen Stahl benötige, gebe es keine Alternative zur Produktion von Primärstahl.

Das Fazit von Biele: „Die grüne Transformation bei thyssenkrupp Rasselstein ist gestartet. Die Technologie ist gegeben, die Anlagen beauftragt, der Markteintritt des CO2-reduzierten bluemint-Stahls erfolgt und die Kaufbereitschaft bestätigt. Jetzt geht es darum, faire Rahmenbedingungen zu sichern, gemeinsam die Versorgung mit grünem Wasserstoff zu stemmen und Stahl als Wende-relevant bei Mobilität, Energie und Infrastruktur anzuerkennen.“ Dafür müssten öffentliche und private Investitionen gestärkt, die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und Leitmärkte für grüne Grundstoffe sowie international anschlussfähige Grünstahldefinitionen geschaffen werden. Außerdem gelte es, das EU-Beihilferecht weiterzuentwickeln, Wasserstoffwirtschaft zu fördern und Nutzungsprioritäten zu definieren.

Disruption Wanted!

Thomas Reiner, CEO der Berndt+Partner Group, wies zu Anfang darauf hin, dass die Themen im Grunde seit Jahren die gleichen seien, „aber drum herum hat sich einiges geändert. Das war alles schon da. Corona und Ukraine haben es nur ans Licht gebracht.“

In seinem Vortrag konzentrierte sich Reiner dann auf die beiden Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Im Bereich Nachhaltigkeit konstatierte er speziell beim Kunststoff eine riesiege Lücke zwischen dem, was sich die Industrie vorgenommen habe und dem, was erreicht worden sei. „Davon, 70 Prozent des Kunststoffs im Kreislauf zu halten und bis 2025 30 Prozent Rezyklat einzusetzen, sind wir Welten entfernt.“ Bei den Convertern hat laut Reiner nur jeder Zehnte eine Nachhaltigkeitsstrategie. Natürlich gäbe es Gründe wie den Kostendruck und Personalmangel. Gründe und Erklärungen seien aber keine Lösungen.

Dabei sieht Reiner die Nachhaltigkeitswelle noch längst nicht am Ende. Sie befände sich im Gegenteil noch voll im Aufbau. Um Lösungen zu schaffen, müsse man die gesamte Kette betrachten und nicht nur das jeweils nächste Glied. Die Chancen seien da. „Heute kann jeder mit jedem reden, wo früher die Türen zu waren. Wer Nachhaltigkeit mit Innovation verbindet, ist nachweislich profitabler“, so Reiner.

Kümmern müsse man sich vor allem um das Thema Kunststoff. Das stehe unverändert im höchsten Interesse der Konsumenten – nicht nur in Europa und bei der Last Generation, sondern gerade in Ländern wie Indien und in Afrika, wo man noch viel massiver mit Kunststoffabfällen zu kämpfen habe. Die Verpackung stehe dabei im Zentrum, da Konsumenten die Nachhaltigkeit eines Produkts über alle Segmente hinweg vor allem an der Verpackung festmachten.

Der eigentliche Druck komme bei der Kunststofffrage aber von außen: Von den Regulierern und den NGOs. „Die nehmen Themen wie Müll, verbinden es mit einer Marke und machen eine Botschaft daraus“, so Reiner.

Die Lösung sei oft die Paperisation, also die Hinwendung zu Papier – und zwar in einem noch nie gesehenen Ausmaß. Diese Bewegung komme bei den Verbrauchern an, sie gefalle den Investoren und sie rechne sich, nicht zuletzt aufgrund der neuen Abgaben auf Kunststoff, auch finanziell.

Reiners Fazit zum Thema Nachhaltigkeit: „Die Industrien werden sich am Thema Klima messen lassen müssen. Hier ist das Umdenken. Es ist auch das Thema, das beim Konsumenten anschlussfähig ist, weil es auch viel einfacher darzustellen ist, als das Kreislaufthema. Klima wird zum Kernthema, dass wir auf Packungen finden werden. In ein paar Jahren wird kein Markenartikler mehr einen Lieferanten mit negativem Klimafußabdruck akzeptieren.“

Beim Thema Digitalisierung wies Reiner darauf hin, dass sich ganze Mechanismen und Marktlogiken änderten. Auch hier laufe ein disruptiver Prozess. „Wenn Sie eine Disruption haben, haben sie immer einen Versatz. Aktuell sind die Menschen weiter als die Unternehmen. Es geht darum, diese Lücke zu schließen“, so Reiner. Allerdings befinde sich die Verpackungsindustrie beim Thema Digitalisierung so weit hinterher, wie sonst keiner. Man brauche 200 Tage, um eine Änderung auf die Straße zu bringen. Der Konsument aber wolle das von heute auf morgen. „Reale Änderungen dauern zu lange. Das ist eine Frage der Technik, vor allem aber eine Frage der Denke“, konstatierte Reiner.

Reiners abschließendes Fazit für die Kongressteilnehmer: „Ihr seid im Rampenlicht, egal wo ihr steht. Ihr habt die volle Aufmerksamkeit. Verpackung ist Chefsache geworden. Man wird gehört. Das muss man nutzen. Und wir müssen Vorlauf schaffen, nicht nur reagieren. Wir müssen uns an den Kern erinnern: Die Verpackung ist und war und bleibt Produktversicherung, Identitätsstifter, Innovationsmotor und Nachhaltigkeitsbotschafter. Das sind vier starke Säulen.“

Ihnen gegenüber stünden die zwei Gegengewichte Kostenfaktor und Agilitätsbremse. Deshalb gelte es, Vorlauf zu schaffen. Organisatorisch sei die Aufgabe, Prioritäten zu setzen. Es bringe einem Verpackungshersteller nichts, bei 135 Initiativen mitzumachen. Stattdessen müsse geklärt werden, wo man Leuchtturmprojekte aufsetze, um dort Geschwindigkeit zu gewinnen. Kulturell müsse man die Menschen mitnehmen – auch die eigenen Mitarbeiter – und Spaß an Veränderungen finden. Entscheidend sei darüber hinaus, es in der gesamten Kette anzugehen, über Austausch und Kooperation.

dvi-Ehrenpräsidentschaft für Thomas Reiner

Im Anschluss an seinen Vortrag wurde Thomas Reiner von dvi-Vorstandsvorsitzendem Wolf-Dieter Baumann unter großem Applaus zum Ehrenpräsident des dvi ernannt. „Sie waren als Gründungsmitglied von 1990 bis 2018 im Vorstand tätig und hatten von 2006 bis 2018 den Vorstandsvorsitz inne. In dieser Zeit haben Sie die Anzahl der Mitglieder auf mehr als 230 verdoppelt und das dvi nachhaltig geprägt und mit Initiativen wie den Innovationsforen, dem Deutschen Verpackungskongress, der Dresdner Verpackungstagung, PackVision und dem Tag der Verpackung angereichert“, so Baumann in seiner Würdigung.

Dieter Berndt Preis für Alfred T. Ritter

Professor Dieter Berndt war der Gründer des Deutschen Verpackungsinstituts. Seit 2015 vergibt das dvi einen Preis mit seinem Namen für Lebenswerke. Nach Prof. Dr. Klaus Töpfer und Prof. Dr. Claus Hipp würdigte das dvi nun den Unternehmer Alfred Theodor Ritter, Eigentümer der Alfred Ritter GmbH & Co. KG mit dem Preis.

In seiner Laudatio beschrieb Oliver Berndt, Bereichsleiter Events & Marketing des dvi und Sohn von Prof. Berndt, die herausragenden Verdienste Ritters für Menschen, Märkte und Umwelt. „Mit seinem visionären Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz hat Herr Alfred T. Ritter Zeichen gesetzt und Wege bereitet. Auch sein philanthropischer, fairer und fürsorglicher Umgang mit Partnern und Mitarbeitern hat ihn von Beginn an als Pionier und Vordenker ausgezeichnet, dessen Wirkungsmacht über die Grenzen seines Unternehmens und seiner Branche hinausreicht“, so Berndt. 

In seiner Dankesrede berichtete Alfred T. Ritter unter anderem über die Arbeit mit den Kakaobohnen-Anbauern in Nicaragua, die sich CO2- und Bio-Zertifizierungen nicht leisten könnten. „Das ist für die viel zu teuer. Das müssen wir machen, vor Ort“, so Ritter. Er wies darauf hin, dass die Industriegesellschaften noch immer zu viele Ressourcen verbrauchten. Hier müsse man noch deutlich weiter kommen. 

Vom unerwünschten Plastik zum Rohstoff

Susanne Heldmaier, Strategic Lead of Basic Research & Technical Innovation der Mibelle Group – einer Tochter der MIGROS Gruppe – stellte in ihrem Vortrag die biotechnische CO2-Recyclingtechnologie ihres Unternehmens vor, die in Kooperation mit dem Start-Up LanzaTech entwickelt wurde. Die Technologie gewinnt CO2 als Rohstoff und produziert daraus PET. Nach Ansicht von Heldmaier ist das CO2-Recycling eine Schlüsseltechnologie für die Kreislaufwirtschaft.

Heldmaier legte dar, dass der Einsatz von CO2-PET nicht nur Einsparpotenziale bringe, sondern auch ökobilanzielle Vorteile. Denn nachwachsende Rohstoffe für Kunststoff hätten einen grundlegenden Nachteil: „Egal, wie nachhaltig etwas angebaut wird, es braucht die Landfläche dafür. Das biotechnische CO2-Recycling macht, was die Pflanzen in der Natur auch machen. Sie wandeln CO2 in neues Pflanzenmaterial um wie beispielsweise die Früchte der Ölpalme. Das wollen wir auch. Unser Vorteil: Wir brauchen dafür keine Landfläche. 

Heldmaier beschrieb eine Ausgangslage, die sich dadurch auszeichne, dass die Welt nicht auf Material aus Kohlenstoff verzichten könne: „Energie ist ohne fossilen Kohlenstoff möglich, Transport ist ohne fossilen Kohlenstoff möglich, aber wir benötigen auch Konsumgüter. Die Frage ist: Woher soll das Material dafür kommen.“

Während man in Phase 1 des industriellen Zeitalters Erdöl, Gas und Kohle verwendet habe, was zu einem Anstieg von CO2 in der Atmosphäre geführt hätte, sei man in Phase 2 dazu übergegangen, pflanzliche Rohstoffe zu verwenden. Diese allerdings führten unter anderem zu Monokulturen, Brandrodung und Wassermangel. In der Kreislaufwirtschaft gelte es nun, Phase 3 zu starten und CO2 als nachhaltige Kohlenstoffquelle zu nutzen.

Heldmaier legte das Verfahren des Biotechnischen CO2 Recycling dar, bei dem im ersten Schritt Ethanol gewonnen wird. Das lasse sich in Produkten wie beispielsweise Haushaltsreinigern verwenden. Im zweiten Schritt ließen sich aber auch PET-Flaschen herstellen. Bereits 2021 hat MIGROS virgin PET durch CO2-PET ersetzt und Mibelle mit seiner Innovation den Deutschen Verpackungspreis in Gold gewonnen.

Die grundlegenden Vorteile von CO2-PET laut Heldmaier: Es reduziert den Erdölverbrauch, es bindet Treibhausgase, kann aktuell zu 30 Prozent aus CO2 hergestellt werden, ist mit herkömmlichen PET chemisch und physikalisch identisch, bietet eine ökologisch sinnvolle Alternative zum herkömmlichen virgin PET, kann problemlos in den bestehenden Recyclingkreislauf integriert werden, ist mit rPET kombinierbar und stelle als nötige ökologische Ergänzung einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft dar.

Zum Abschluss ihres Vortrags richtete Heldmaier einen Appell an die Politik und in die Branche: „Wir brauchen Commitment. Es ist, wie bei jeder neuen Technologie: Am Anfang muss man etwas mehr tun. Leider sind unsere Regelwerke an bestehende Dingen ausgerichtet. Wir denken nur an das, was an Technologie schon da ist und nicht an das, was die Technologie der Zukunft ist. Bis die neue Technologie im Mainstream anbekommen ist, braucht man den Glauben, Commitment und Mittel.“

VUCAs Einfluss auf die Nachhaltigkeitsstrategie

Eva Bredehorst, Global Packaging Sustainability Manager bei Beiersdorf, legte in ihrem Vortrag die Nachhaltigkeitsstrategie von Beiersdorf dar, beschrieb die notwendigen Kooperationen und nannte Herausforderungen und Möglichkeiten beim Thema Design for Recycling im Bereich Kosmetikverpackungen.

In Bezug auf das übergeordnete Kongressthema VUCA sagte Bredehorst: „VUCA ist einfach da. Wir können das nicht ändern. Aber wir können eine aktive Strategie haben, wie wir damit umgehen.“. Sie verwies darauf, dass man VUCA und Nachhaltigkeit global und nicht nur national oder europäisch denken müsse. „Das macht einen Unterschied, weil in Asien und Lateinamerika das Konsumentenbedürfnis geringer ist“, so Bredehorst.

Grundsätzlich seien nachhaltige Verpackungen für Beiersdorf eine „Riesenaufgabe. Wir sind kein Start-up, das einfach eine neue, nachhaltige Lösung in die Regale stellt. Wir müssen ein etabliertes Portfolio mit aufgebautem Vertrauen ins Ziel bringen.“ 

Bredehorst stellte Verpackungsbeispiele ihres Unternehmens vor und wies darauf hin, dass die Kombination aus mehr Nachhaltigkeit und neuen Mehrwerten wie beispielweise zusätzlichen Funktionalitäten der Königsweg sei. Zur Sicherstellung von Nachhaltigkeit seit Analytik der Schlüssel. Es gelte, immer wieder schnell sicherzustellen, dass man auf dem richten Weg sei, auch bei der Beibehaltung von Produktschutz und anderen zentralen Faktoren.

Hochkomplex sei auch das Thema des „Recyclability Assessment“. „Jedes Land hält es ein bisschen anders. Dafür braucht man digitale Tools, die möglichst sofort Aufschluss geben und Vergleichbarkeit schaffen“, so Bredehorst. Auf die Frage, ob es bei Beiersdorf eine „magische Grenze“ gebe, ab der man von einer recyclingfähigen Verpackung spreche, sagte die Global Packaging Sustainability Managerin: „Wir orientieren uns an den 70 Prozent, die auch in der Packaging and Packaging Waste Regulation erwähnt werden. Aber es muss in echt sein, also in der Praxis des jeweiligen Marktes eine Infrastruktur dafür geben.“

Der eigentliche Weg zur Nachhaltigkeit liegt nach Aussage von Bredehorst aber auch jenseits der Verpackung: „Nach der Nachhaltigkeit der Verpackung geht es um neue Produktanwendungen. Also zum Beispiel um feste Produkte in Papier oder um Konzentrate als Tablette, die man zuhause in Mehrwegflasche auflöst und in den Anwendungszustand bringt“. Eine Herausforderung dabei: „Diese neuen Produktformen bringen Konsumenten raus aus dem Autopiloten beim Shopping im Regal. Die Frage ist also: Wie präsentiere ich dort? Wie bringe ich die Botschaft rüber? Das ist eine große Herausforderung.“

In ihrem Fazit ging Bredehorst noch einmal auf das Kongress-Überthema VUCA ein. Beiersdorf begegne Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit über ein Bündel an Maßnahmen: Eine starke Vision, ein verlässliches Netzwerk und Perspektive, ein tiefes Verständnis der Herausforderungen, das Agieren in der gesamten Wertschöpfungskette, das frühzeitige und vorrausschauende Handeln, der Begegnung des Konsumenten mit Klarheit und Transparenz sowie durch die Antizipation der Materialströme der Zukunft.

Es kommt darauf an ist keine Lösung

Irene Binder, Sustainability Transformation Director bei L’Oréal DACH, stellte in ihrem Vortrag einen scheinbar widersprüchlichen Zustand in den Mittelpunkt. Auf der einen Seite seien sich alle einig, dass in Sachen nachhaltiger Konsum etwas passieren müsse. Auf der anderen Seite zeigten sich Verhaltensänderungen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nur langsam. Was also müssen Unternehmen jetzt umsetzen? Und was brauchen Konsumenten jetzt?

Binder zeigte einen Konsumenten, der ebenfalls unter dem Einfluss von VUCA stehe und damit umgehen müsse. Wenn er nach der nachhaltigsten Lösung suche, gelange er in ein objektives Dickicht von zutreffenden Argumenten. Denn die Frage sei, was man alles in seine Betrachtung miteinbeziehe und wie man es gewichte. Nur das Material oder auch die Lebensdauer, die Arbeitsbedingungen, die Energiequellen, das Nutzungsverhalten? Am Ende sei „Es kommt darauf an“ die häufigste und ehrlichste Antwort im Bereich Nachhaltigkeit – vom Thema Mobilität bis hin zum Thema Verpackung. „Aber das ist auch eine frustrierende Antwort, die einem Konsumenten nicht wirklich weiterhilft. Es endet oft in Diskussionen anstatt in Entscheidungen. Für einen Konsumenten ist es nicht einfach, die richtige Entscheidung zu treffen, selbst (oder gerade) wenn er will.“, so Binder.

Nachhaltigkeit- und Öko-Labels geben laut Binder dabei aktuell keine Hilfestellung. Alleine in Europa gebe es 455 unterschiedliche Eco-Labels plus zusätzliche Kategorisierungen und darüber hinaus unzählige Green-Claims. Das führe für Konsumentinnen zu Verunsicherung und nicht zu Transparenz.

In der Folge präsentierte Binder den Lösungsansatz von L’Oréal. Dort habe man mit Hilfe eines Tools alle Innovationen nach Qualität, Preis und Nachhaltigkeit bewertet. Auf diese Weise hätten 100 Prozent aller Marken des Unternehmens ihren Umwelt- und sozialen Fußabdruck ihrer Produkte analysiert. 96 Prozent aller Produkte, die seit 2020 lanciert oder erneuert wurden, hätten ein verbessertes Nachhaltigkeitsprofil.

Auch um den Konsumentinnen und Konsumenten die nötige Orientierung zu bieten, setzt L’Oréal in einem „One Impact Assessment“ auf die SPOT Methodology. Sie vergleicht nicht nur die neue Version eines Produkts mit der vorherigen, sondern auch mit anderen Produkten der gleichen Kategorie. Binder zeigt, wie dabei eine Reihe unterschiedlicher Faktoren wie der CO2- und der Wasser-Fußabdruck einzeln dargestellt und am Ende in einem Diagramm über unterschiedliche Farben und Stufen von A bis E konsolidiert werden. „Wenn ein Pflegeprodukt im Haar bleibt und nicht ausgewaschen werden muss, macht das für den Score einen riesigen Unterschied“, legte Binder anhand eines praktischen Beispiele dar. 

Die feste Überzeugung der Sustainability Transformation Director: „Je mehr ein Konsument über den Umwelteinfluss von Produkten weiß, desto nachhaltiger und bewusster kann er handeln. Er braucht die notwendigen Informationen. Er braucht sie möglichst ohne Komplexitätsreduzierung aber in einer Sprache, die auch ankommt und verstanden wird. Unser Tool liefert Indikatoren für nachhaltige Kaufentscheidungen, die auf den Markenwebseiten einsehbar sind.“

Absolute Transparenz, um den Konsumenten bei seiner Entscheidung zu unterstützen, darf nach Überzeugung von Binder jedoch nicht bei den eigenen Marken haltmachen. „Das ist nur der halbe Weg. Im Rahmen des EcoBeautyScore-Konsortiums arbeiten wir deshalb mit über 60 Stakeholdern der Kosmetikindustrie daran, Produkte markenübergreifend vergleichbar zu machen“. 

EU-Regularien im Verpackungsbereich

Olaf Dechow, Senior-Projektmanager Materials & Circularity, Corporate Responsibility der Otto Group gab in seinem Vortrag einen Rückblick, einen Statusbericht zum aktuellen Zustand und einen Ausblick auf die Auswirkungen der Regularien im Verpackungsbereich auf einen Onlinehändler. 

Zu Anfang ging Dechow auf die konkrete Situation im Land der „Sammel- und Recyclingweltmeister“ ein. Denn es gebe auch eine andere Realität. Nur 7 Prozent der Kunststoffverpackungen aus Sortieranlagen der dualen Systeme würden stofflich verwertet. Chemisches Recycling sei zu energieintensiv und das Endprodukt von schlechter Qualität. Rund 600.000 Tonnen Kunststoffabfälle würden jährlich exportiert. Die Verschmutzung der Meere durch Kunststoffeinträge steige pro Jahr um fünf bis zehn Millionen Tonnen. 

Dechow schilderte eine Situation, in der es keine guten und schnellen Lösungen gebe, eine hochkomplexe Thematik vorherrsche, Entscheidungen nur für grobe Richtungen getroffen werden könnten und man nicht auf 100%ige Klarstellungen durch Dritte warten könne, sondern bei Bedarf nachjustieren müsse. 

Ins Zentrum von Dechows Vortrag rückte in der Folge der Vorschlag der EU-Kommission für die neue Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), der Ende November letzten Jahres vorgestellt worden war. „Da wird eigentlich alles aufgenommen. In Brüssel wird man sich auf die Schultern klopfen, denn sie haben ein komplettes Screening gemacht und erstmal alles reingeschrieben“, so Dechow. Jetzt müsse man schauen, was man wie tatsächlich umsetzen könne und sollte.

Dechow ging über Beispiele auf die einzelnen Bausteine der PPWR, den Zeitplan zur Implementierung sowie auf kritische Punkte für den Onlinehandel ein. So sei beispielsweise die Vorschrift über ein maximales Leervolumen der Verpackung von 40 Prozent grundsätzlich kein Problem. „Aber was macht man bei kleinen Produkten wie beispielsweise einem Ring? So klein kann man die Verpackung gar nicht machen. Auch die Paketdienstleister wollen Mindestgrößen.“ „Voll reinschlagen“ würde nach Ansicht von Dechow das Thema Mehrwegverpackungen.

Aktuell setzt die Otto Group pro Jahr 26.000 Tonnen Verpackungen ein. Davon 5.000 Tonnen Kunststoffe und 21.000 Tonnen Papier, Pappe und Karton. Dechow zeigte, wie man in der Otto Group bei der „Bewertung der verschiedenen Verpackungsalternativen aus ökologischer Sicht“ umgeht.

Bei der Frage Kunststoff oder Pappe sagte Dechow: „Die Kunst ist die Bewertung“. In seinen Augen ist das Warten auf eine umfassende Ökobilanz der falsche Weg. Denn was sei ökologisch schlechter, X Gramm CO2 oder Y Gramm Mikroplastik? Den subjektiven Wahrnehmungen müsse man eine eigene Einschätzung mit fachlichem Hintergrund entgegensetzen. Dechow zeigte Alternativen zur Minderung herkömmlicher Kunststoffe und stellte vier Ansätze vor, um die Umweltbelastung durch Verpackungen zu verringern: Replace, Reduce, Reuse und Recycle.

Podiumsdiskussion „Scheitern wir beim Recycling?“

Im vergangenen Jahr hatte die mit Preisen ausgezeichnete TV-Dokumentation „Die Recyclinglüge“ für Aufsehen und – unter Fachleuten – für viel Kritik gesorgt. In dem Bestreben, den Dialog und die Suche nach Lösungen aufrecht zu erhalten, hatte das dvi den freien Journalisten und Autor der Dokumentation, Benedict Wermter, zu einem Kurzvortrag mit nachfolgender Podiumsdiskussion eingeladen. Neben dem aus Bali zugeschalteten Wermter nahmen teil: Gabriele Hässig, Geschäftsführerin Kommunikation und Nachhaltigkeit, Procter & Gamble Service GmbH und dvi-Vorständin, Jörg Deppmeyer, Geschäftsführer Vertrieb von Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH sowie Dr. Jan-Niclas Gesenhues, MdB und Leiter der AG Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz von Bündnis90/Die Grüne.

Wermter stellte Kunststoff in seiner Einführung als Sucht-System dar. Ölindustrie und Chemieformen seien abhängig vom globalen Wachstumsmarkt für Einwegverpackungen. Genau wie die Handelsmarken, die sich dem fraglichen Marketinginstrument des Recyclings verschrieben hätten. Von diesem profitierten nicht zuletzt die Entsorger und Verwerter. „Man kann nicht einfach guten Gewissens alles in die gelbe Tonne werfen und gut ist. Natürlich sollen die Leute weiter Müll trennen und Verpackungen entsorgen. Aber Recycling ist nur Schadensminimierung. Vermeidung, Mehrweg und Wiederbefüllung sollte im Fokus stehen. Was wirklich hilft ist die Skalierung unverpackter Alternativen, mehr Mehrweg und Pfand, digitale Verpackungen und kurze Lieferketten“, so Wermter. Nötig seien dafür unter anderem ein zügiger Wissenstransfer, der Patente frei zugänglich mache und der Einsatz nachhaltiger Innovationen, die ohne Zeitverzug für alle zur Pflicht gemacht werden sollten. Auch Bioplastik und mehr Design for Recycling gehörten zu Wermters Aufzählung.

Auf die Frage von Kongress-Moderatorin Claudia Fasse an die anderen Podiumsteilnehmer, ob Wermter Recht habe und wir beim Recycling in Deutschland scheiterten, gab es eine lebhafte und zielführende Diskussion.

Jörg Deppmeyer suchte zu Anfang die Gemeinsamkeiten und griff die Abfallpyramide auf. „Alles, was wir weglassen, ist gut. Reduce ist gut. Reuse ist gut. Beim Thema Recycling habe ich andere Wahrnehmung. Monokunststoffe werden heute rausgezogen, in Ballen verpresst und dann in die Recyclingbetriebe gegeben. Aber es gibt auch da Reste und Mischkunststoffe. Mit denen ist es insbesondere auf mechanischem Weg schwierig, ein wirtschaftliches Recycling zu betreiben. Die Verwertungsquoten von 58 Prozent wurden erreicht. Die neuen Quoten von 63 Prozent müssen wir erreichen.“

Gabriele Hässig betonte, dass man die Menschen weiter mitnehmen müsse auf dem Weg des Recyclings. „Heute wird immer noch 50 Prozent im Restmüll entsorgt und sieht den gelben Sack gar nicht“, so Hässig. „Wir dürfen die Leute nicht verwirren und vom Recycling abhalten. Sonst landet alles auf der Straße. In den letzten Jahren wurden viele neue Lösungen entwickelt. Aber ja: Wir brauchen mehr Geschwindigkeit und müssen hochskalieren. Und wir brauchen Offenheit für neue Verfahren, um mehr Rezyklat zu bekommen. Beim Thema Mehrweg sind viele offen, andere nicht. Es ist eine Lösung aber nicht die Ausschließliche. Wir brauchen Geschwindigkeit. Und die braucht Skalierung und die richtigen Rahmenbedingungen.“

Dr. Jan-Niclas Gesenhues erkannte an, „dass viele Unternehmen sich auf dem Weg machen und Lösungen entwickeln“. Er teile allerdings Wermters Auffassung, dass 50 Prozent nicht unser Anspruch sein könne. „Es geht ja nicht nur um den gelben Sack im Privatbereich, sondern auch um das Gewerbe. Die Frage ist auch: Haben wir hochwertiges Recycling und Rezyklat? Und wie schaffen wir einen ökonomisch attraktiven Markt für Rezyklat? Wir müssen vorne ansetzen in der Hierarchie, also beim Verhindern und Reduzieren, aber auch bei Mehrweg“, so Gesenhues. Die PPWR sieht der Grüne Leiter der AG Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz als guten Vorschlag, „den wir konstruktiv begleiten. Er sollte nicht verwässert werden. Ich bin der EU dankbar, dass sie den Schritt geht, Produkte recyclingfähig und im besten Fall mehrwegfähig zu machen. Wenn wir Planungssicherheit wollen, dann muss die PPWR noch in diesem Mandat der EU-Kommission durchgehen. Denn wer weiß, was danach kommt“, so Gesenhues.

In Bezug auf die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie hätte sich der Politiker gewünscht, dass wir weiter wären. „Vorschriften und Ordnungsrecht sind eigentlich immer die letzten Lösungen. Problem ist nur – und da will ich den Film in Schutz nehmen – das einfach zu wenig passiert ist Da müssen wir halt zum Beispiel beim Produktdesign Vorschriften machen. Werkstoffliche Recyclingfähigkeit, Langlebigkeit, Reparierbarkeit - das sind so Dinge, an denen man das Produktdesign festmachen kann und soll. Auch damit wir unabhängiger werden von Rohstoffimporten, insbesondere von Despoten“, so Gesenhues. Die Kreislaufwirtschaft sieht er in diesem Zusammenhang als „Freiheitstechnologie“.

Auf nationaler Ebene lege man einen Fond auf, „mit dem wir recyclinggerechtes Design fördern“. Der entsprechende Paragraph 21 des Verpackungsgesetzes solle dafür „zeitnah gesetzlich geregelt werden“, versprach Gesenhues.

Analyse der neuen EU-Verpackungsverordnung

Francesca Stevens, Managing Director der European Organisation for Packaging and the Environment (EUROPEN) lieferte in ihrem Vortrag einen fundierten Überblick und einen aktuellen Status zu den verpackungspolitischen Plänen der EU-Regulierer.

Als Schlüssel-Interventionsbereiche des PPWR-Vorschlags identifizierte Stevens die Abfallvermeidung, die Recyclingfähigkeit, den Einsatz von Rezyklat, Mehrweg und Refill sowie Labelling.

Steven stellte in Folge die einzelnen Bereiche im Bereich Abfallvermeidung vor und ging auf die Details bei den Plänen für die Reduzierung von Abfall, die Minimierung von Verpackungen, Performance-Kriterien, Leerräume und konkrete Verbote bestimmter Verpackungsformate ein.

Im Bereich der Recyclingfähigkeit zeigte sie Details zu den Säulen Design for Recycling, Skalierung von Recyclingfähigkeit, Leistungsstufen, Gebührenmodulation und Ziel-Recyclingquoten.

Im Mittelpunkt des Bereichs Rezyklat stand der Artikel 7 des PPWR-Vorschlags. Ab dem 1. Januar 2030 und – mit erhöhten Quoten ab dem 1. Januar 2040 – muss der Kunststoffanteil in Verpackungen einen Mindestprozentsatz an recyceltem Inhalt aus Post-Verbraucher Kunststoffabfällen enthalten. Bei Einweg-Getränkeflaschen sind das 30 beziehungsweise 65 Prozent, bei kontaktsensiblen Verpackungen zwischen 10 und 30 beziehungsweise ab 2040 50 Prozent. Für die restlichen Kunststoffverpackungen gelten Quoten von 35 beziehungsweise 65 Prozent.

Artikel 11 und 12 des PPWR-Vorschlags behandeln den Bereich Labelling. Hier stellte Stevens die Aspekte Materialzusammensetzung, Wiederverwendbarkeit, Pfand und Rückgabe, Rezyklat sowie EPR (extended producer responsibility) und DRS (deposit return scheme) vor.

In ihrer Bewertung des PPWR-Vorschlags konstatierte Stevens eine zunehmende Fragmentierung des Binnenmarkts und unklare Rahmenbedingungen. Die PPWR könne nur dann ein potentieller Game Changer werden, wenn vier zentrale Punkte Beachtung fänden: Die Anerkennung des Zwecks von Verpackungen und die Gewährleistung eines wissenschaftlich fundierten Ansatzes. Die Gewährleistung der Kohärenz mit den Umwelt- und Klimazielen der EU. Die Schaffung einer zukunftssicheren und harmonisierten Gesetzgebung zur Unterstützung von Innovation und die Entwicklung von Infrastrukturen. Und schließlich die Gewährleistung von Rechtssicherheit für die verpflichteten Parteien.

Auf die Frage, ob die PPWR Ende September beziehungsweise Anfang Oktober wie geplant aus dem Vorschlagsstadium in das finale Voting des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENV) und des Europäischen Parlaments gehen werde, konstatierte sie, das sei ein Blick in die Glaskugel. „When it is political, it is ideological“, so Stevens.

Globale Machtverschiebungen

Sehen wir das Ende vom Wandel durch Handel? Wie verändert sich die Welt auf macht- und wirtschaftspolitischer Ebene durch den Krieg in der Ukraine und die zunehmende Zahl autokratischer Herrscher und protektionistischer Maßnahmen? Um Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, führte Hans-Lothar Domröse, General a. D. und ehemaliger Nato-Befehlshaber die Kongressteilnehmer zum Abschluss in einem Parforceritt durch die Entwicklungen der letzten Jahre.

Ganz gleich, ob man es feministische Außenpolitik, Realpolitik oder Geopolitik nenne, am Ende seien das „nur verschiedene Ausdrücke für ein oberes Ziel: Man muss mit den Nachbarn leben und auskommen können“, stellte Domröse zum Einstieg fest.

Im Hinblick auf die globale Entwicklung konstatierte der ehemalige General, dass „wir die Unruhen schon seit Jahren haben. Und der globale Süden weist zurecht darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine nicht der Beginn einer Krise war, sondern die Fortsetzung. Seit dem 24. Februar 2022 aber stehen wir Kopf. Denn Putin hat alle Regeln gebrochen“.

Der Nachteil Europas im globalen Spiel der Mächte nach Ansicht von Domröse: „Die USA, China, Putin, Indien und Saudi-Arabien – das ist jeweils nur Einer. Die EU sind viele. Die müssen sich erstmal einigen. Das Problem haben die anderen nicht.“

Domröse stellte die Hintergründe und Triebkräfte einzelner Brennpunkte dar, die vom Nahen Osten über China und die Taiwan-Frage bis zum Krieg in der Ukraine reichten. Seiner Ansicht nach, ist zumindest das Ende des Ukrainekonflikts klar: „Frieden kann nicht das erste Ziel sein. Denn Frieden braucht Generationen und der Riss zwischen Ukrainern und Russen geht sehr tief. Das aktuelle Ziel ist ein Waffenstillstand und ein Friedensschluss mit Landabtretung durch die Ukraine sowie eine Schutzgarantie durch den Westen.“ Domröse wies darauf hin, dass man in dem Moment, wo man eine Schutzgarantie gebe, zur Kriegspartei werde. „Denn wenn man Schutz verspricht, muss man auch dazu stehen. Aber anders geht es nicht. Klar ist aber auch: Es wird alles teurer werden. Denn die Kosten sind enorm.“

In seinem Fazit sagte der General a. D., dass man ohne Ukraine und Russland den Nahen Osten als den gefährlichsten Raum für uns und unsere Kinder betrachten würde. Aber auch Afrika bleibe eine Aufgabe. Nötig sei eine Strategie, wie wir fair mit Afrika umgehen könnten. Das übergreifende Thema aber sei der Klimawandel. „Die Welt ist auf dem Weg von der Ära des Überflusses hin zu einer Ära des Mangels. Das können wir nur schaffen, wenn wir zusammenstehen“, schloss Domröse.

Workshops

Am zweiten Kongresstag bot das dvi den Kongressteilnehmern eine Reihe von Workshops.

Yasha Tarani, Co-Founder & Chief Executive Officer von THE CLIMATE CHOICE stellte die Dekarbonisierung als kontinuierlichen Verbesserungsprozess vor, der permanent getrackt und analysiert werden will. Denn klar sei: Lieferanten und Scope 3-Partner sind der Schlüssel für jede Klimastrategie. Im Workshop ging es um die Frage, wie Softwaretools helfen können, Klimaziele gemeinsam mit Lieferanten umzusetzen.

Um Erfolgsfaktoren in der Kollaboration zwischen Unternehmen und Start-ups ging es im Workshop mit Melissa Ott, Programm Director der Futury GmbH. Ott betonte, dass es für ein Start-up nichts bringe, isoliert zu arbeiten – innovative Ideen, schnelle Prozesse und persönliches Engagement mit hoher Identifikation und vollem Einsatz hin oder her. „Arrivierte Unternehmen und Start-ups haben jeweils eigene Stärken. Wenn es um Skalierung geht oder darum, Innovationen auf die Straße zu bekommen, können die Unternehmen ihre Stärken einbringen. Genau wie bei Fragen der Wirtschaftlichkeit oder rund um klassische Managementthemen.“

Vivian Loftin, Co-Founder und Geschäftsführerin der Recyda GmbH, erarbeitete mit den Teilnehmern zentrale Kriterien zur Bewertung von Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Unter der Überschrift „Recyclability Database“ stellte sie danach ein Softwaretool vor, „das die Circular Economy vorantreibt“.

Wie man Künstliche Intelligenz bei der Kreislaufführung von Kunststoffverpackungen einsetzen kann, sondiert das dreijähriges Projekt K3I-Cycling, das die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Design bis zum erneuten Eintreten in den Kreislauf verbessern will. Auch das dvi ist dabei einer von 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Auf ihrem Workshop beim Deutschen Verpackungskongress gingen Simon Gölden (Fraunhofer LBF), Peter Desiléts (Pacoon GmbH) und Daniel Diebold (wattron GmbH) mit den Teilnehmern in den Fachdialog.

Neben den vier Workshops hatte das dvi auch eine Arbeitsgruppe angeboten, in der Joachim Frantzen, Managing Partner der BGH-Consulting GmbH, mit den Teilnehmern über Wege aus dem Fachkräftemangel sprach. Konkret ging es um Aufgaben für die Politik, für den Mittelstand und für die Unternehmensberatung.

Repräsentative Umfrage zu Verpackungsthemen

Im Zentrum der Pressekonferenz zum Start des 18. Deutschen Verpackungskongresses hatte die Erkenntnis gestanden, dass eine Mehrheit der Menschen in Deutschland die ökologischen Vorteile von Verpackungen massiv unterschätzt. „50,5 Prozent glauben, dass die Verpackung einen größeren Umweltfußabdruck hat, als das verpackte Produkt. Nur 28,8 Prozent wissen, wie es wirklich ist“, berichtet Kim Cheng. „Die Verpackung steht beispielsweise bei Lebensmitteln im Durschnitt nur für rund 3 Prozent der Klimaauswirkungen. Rund 97 Prozent gehen auf das Konto des Produkts. Wir müssen als Branche dafür sorgen, dass mehr Menschen erfahren, mit welche kleinem Aufwand die Verpackung große Werte schützt“, so Cheng.

Weitere Ergebnisse der repräsentativen Umfrage: Eine Mehrheit von 76 Prozent bevorzugt beim Umgang mit gebrauchten Verpackungen das Recycling. Auch die Ausweitung von Mehrweg- und Nachfüllverpackungen findet bei 49 Prozent Zustimmung. Allerdings ist die Akzeptanz von mehr Mehrweg an Bedingungen geknüpft, bei denen eine Rückgabe ohne Bindung an den Ort des Kaufs mit 71,1 Prozent die Spitzenposition bekleidet. Die Pläne der EU für die neue europäische Verpackungsverordnung finden Zustimmungsraten zwischen 35,5 und 57,9 Prozent. Alle Ergebnisse der Umfrage können Sie im Detail hier einsehen.

Danksagung

Der 18. Deutsche Verpackungskongress wurde unterstützt vom Premiumpartner FACHPACK und den Partnern Mitsubishi Electric, Stora Enso, BGH-Consulting sowie GT TRENDHOUSE 42. Herzlichen Dank für die wertvolle Unterstützung und die gute Zusammenarbeit. Das gilt auch für unser Medienpartner Packaging Journal, der den Kongress live abgedeckt hat.

Fotografien: Cathrin Bach

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