Voller Saal und volles Programm beim Klassentreffen der Branche
Handel, Marken, Maschinenbau, Forschung, NGO, Start-ups und studierender Nachwuchs: Die 34. Dresdner Verpackungstagung bot ihren über 200 Teilnehmern vom 4. bis zum 6. Dezember 2024 unter dem Motto „Alles dreht sich“ ein volles Programm mit 19 Vorträgen, einem Ministerpräsidenten, Produkt- und Technologie-Premieren, viel Dialog und Diskussion entlang der Wertschöpfungskette sowie eine doppelte Hausmesse im Vorfeld. Unser Tagungsbericht fasst wichtige Einblicke aus jedem Vortrag für Sie zusammen.
Begrüßung und Dank
In dem mit über 200 Teilnehmern sehr gut gefüllten Tagungssaal ging der erste Dank von Moderator und dvi-Seniorberater Winfried Batzke an die Partner und Sponsoren der Tagung: die FACHPACK als Premiumpartner des dvi, Mitsubishi Electric als Großsponsor, der langjährige Sponsor Gerhard Schubert GmbH und die erstmaligen Sponsoren Hermann Ultraschall, watttron GmbH, FormerFab GmbH und Packmatic GmbH.
Was die Dresdner Tagung seit vielen Jahren ausmacht, ist auch der zahlreich vertretene studierende Nachwuchs, der dieses Jahr von der Berliner Hochschule für Technik, der HTWK Leipzig, der Hochschule Hannover, der HDM Stuttgart, der TU Dresden, der Hochschule München, der Hochschule Karlsruhe und der Universität Kassel angereist war. Die anwesenden Firmenvertreter konnten sich mit Hilfe ausgehängter Profile an der Studi-Wand im Saal einen Überblick verschaffen und interessante Studierende direkt ansprechen. Der Nachwuchs konnte seinerseits an einer Angebotswand nach spannenden Praktika, Bachelor- und Masterarbeiten sowie Jobs suchen.
Mit einer kurzen Erklärung des diesjährigen Tagungsmottos „Alles dreht sich“ eröffnete Winfried Batzke dann den inhaltlichen Teil der Tagung: „Alle, die mit der Verpackungsindustrie zu tun haben, wissen, es dreht sich im Moment wirklich alles, sowohl materialtechnisch als auch konjunkturseitig. Dazu kommt, dass Verpackungen noch immer viel zu oft als Müll und überflüssig betrachtet werden. Auch das wollen wir drehen. Deshalb haben wir ein reichhaltiges Programm zusammengestellt über globale Herausforderungen, Ressourcen, Mehrweg, Kreislaufwirtschaft, Ideen, die etwas verändern können, und Innovationen rund um Verpackungen.“
Mehrweg – Lösung oder Illusion?
Laura Griestop, Senior Manager Sustainable Business & Markets von WWF Deutschland
Der grundsätzliche Einstieg in das Thema Mehrweg kam von Laura Griestop, Senior Manager Sustainable Business & Markets von WWF Deutschland. Griestop berichtete zu Anfang aus erster Hand vom Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic Pollution (INC-5) aus Busan und erläuterte die wichtigsten Punkte des geplanten Vertrags. Danach gab sie den Teilnehmern einen guten Überblick zum Thema Mehrweg auf globaler, europäischer und nationaler Ebene. Dabei stellte sie heraus, wie sich die Situation jeweils darstellt, was bereits läuft und was noch fehlt.
Zu den Bemühungen um ein globales UN-Abkommen zur Bekämpfung des Plastikmülls sagte Griestop, dass es „einer der schnellsten Prozesse ist, die es auf UN-Ebene jemals gab. Selbst die ölproduzierenden Länder stimmen zu, dass es einen solchen Vertrag braucht“ – auch wenn er in Busan noch nicht verabschiedet wurde.
Die wichtigsten Elemente des geplanten Vertrags sind das weltweite Verbot der schädlichsten und problematischsten Kunststoffprodukte und -chemikalien, globale Anforderungen an Produktdesign für den Übergang zu einer schadstofffreien Kreislaufwirtschaft mit den Stichworten Reduktion, Mehrweg, Design for Recycling und erweiterte Produktverantwortung (EPR), ausreichende finanzielle Ressourcen für den Systemwandel sowie Entscheidungsmechanismen, die sicherstellen, dass der Vertrag im Laufe der Zeit gestärkt und angepasst werden kann. Für Griestop ist klar: „Wir brauchen einen besseren Umgang mit dem Hochleistungsmaterial Kunststoff.“
Das Thema Mehrweg ist nach Auskunft von Griestop derzeit noch nicht explizit im Vertrag vorhanden, sondern sei Teil des Artikels Fünf „Produktdesign“. Dessen ungeachtet spiele Mehrweg auch international eine „Riesenrolle“. Mit Blick auf die neue europäische Verpackungsverordnung PPWR stellte Griestop fest, dass wir bis zu einer endgültigen Aussage auf die „vielen Delegated Acts warten müssen, die konkret festlegen müssen, wie die Regulierung umgesetzt wird“. Im Detail ging Griestop auf die Refill- und Mehrwegangebotspflicht für den To-Go-Sektor und die Mehrwegziele 2030 für Transportverpackungen und Getränke ein.
Mit Blick auf Deutschland legte die WWF-Vertreterin dar, dass und warum „die Mehrwegangebotspflicht als Instrument gegen die Verpackungsflut und für die Stärkung von Mehrweg-To-Go gescheitert ist“. So stieg die Zahl der Einwegverpackungen laut einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (gvm) von 13,6 Milliarden in 2022 um rund 7,4 Prozent auf 14,6 Milliarden in 2023. Die Mehrwegquote legte dabei von 0,7 auf nur 1,6 Prozent zu. Deshalb forderte Griestop: „Wir müssen Mehrweg jetzt stärken. Dafür müssen wir regulatorisch nachschärfen, in den Aufbau und die Bewirtschaftung von Mehrwegsystemen investieren und die Nachfrage stimulieren.“
Kreislaufwirtschaft müsse als grundsätzlich andere Art des Wirtschaftens betrachtet werden. Sie sei ein Marathon und kein Sprint. „Die Umstellung auf eine Circular Economy hat die Dimension einer industriellen Revolution“, so Griestop. Unternehmen müssten dafür auch ihre eigenen Key Performance Indicators (KPI) überdenken. Auf Nachfrage aus dem Auditorium sprach sich die WWF-Expertin dafür aus, dass es sowohl Anreize als auch Verbote geben müsse: „Es braucht Zielvorgaben, also Verbote, aber dafür braucht es auch Anreize.“
Wie kann Mehrweg funktionieren?
Barbara Möbius, Projektmanagerin Logistik bei Tchibo
Nach der grundsätzlichen Einführung in das Thema Mehrweg beleuchteten vier Vorträge, wie Mehrweg in der Praxis funktionieren kann. Sie zeigten Best Practice führender Unternehmen für eine standardisierte Branchenlösung, Kreislaufsysteme mit Pooling, Mehrweg-as-a-Service, eine Mehrweg-ERP-Plattform sowie Mehrwegverpackungen aus Kunststoff und Glas für B2B und B2C.
Den Anfang machte Barbara Möbius, Projektmanagerin Logistik bei Tchibo. Möbius schildert die Tchibo-Erfahrungen mit Mehrwegversandverpackungen (MWVV) und stellte eine Branchenlösung vor, die 2025 an den Start gehen soll. Zuletzt hatte Tchibo 26.000 eigene MWVV im Einsatz, die im Durchschnitt drei Umläufe geschafft hatten. Bei 81.000 Versendungen und einer Retourenquote von 82 Prozent summierten sich die nicht zurückgesandten Verpackungen auf rund 10.000 Taschen, was eindeutig zu viel sei.
Um diese Situation zu verbessern, führte Tchibo ausführliche Tests durch und diskutierte die Herausforderung mit anderen Unternehmen aus der Branche. Im Blick stand dabei, gemeinsam eine standardisierte Branchenlösung für B2C-Mehrwegversandpackungen zu schaffen. Das Ergebnis: „Damit Unternehmen mitmachen, muss es günstiger werden. Damit das gelingt, braucht es Menge, um Skaleneffekte heben zu können und das System kostengünstig zu bekommen. Damit Kund*innen mitmachen, braucht es Convenience. Und es braucht Standards sowie die Nutzung gelernter Prozesse.“
Tchibo initiierte deshalb das Projekt einer standardisierten Branchenlösung für B2C-Mehrwegversandpackungen. Die Leitung liegt bei der Stiftung ReFrastructure, zu der unter anderem auch der E-Commerce-Verband bevh sowie der Mehrwegverband, GS1 und wissenschaftliche Partner wie die Kühne Logistics University (KLU) gehören. Möbius warb aktiv um die Beteiligung weiterer Unternehmen.
Zum Hintergrund der internationalen Branchenlösung für Mehrwegversandverpackungen mit anbieterübergreifender Infrastruktur und Return-Anywhere-Prinzip gehört nach Auskunft von Möbius, dass „voraussichtlich ab 2030 alle Online-Versandhändler innerhalb der EU durch die PPWR aufgefordert sind, mindestens 40 Prozent der Transporttüten durch eine Mehrweglösung zu ersetzen. Die derzeitigen Mehrwegangebote auf dem Markt sind jedoch sehr teuer. Besonders die Rücknahme über den Briefkasten ist aus Kostengründen nicht skalierbar.“
Sarah Rollinger, Business Development Manager der Cartonplast Group
Sarah Rollinger, Business Development Manager der Cartonplast Group, stellte den Teilnehmern der Tagung danach die Mehrweg-Verpackungslösungen des Cartonplast-Kreislaufsystems vor, das nach eigener Aussage marktführend bei wiederverwendbaren Transportverpackungen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist. „Cartonplast hat nichts mit Kartonage zu tun, sondern mit Mehrweglösungen. Wir machen Kreislaufwirtschaft im klassischen Sinne, das heißt, wir bieten ein effizientes Logistiksystem mit geschlossenem Kreislauf“, erklärte Rollinger zum Einstieg.
Anfang und Ende bzw. Neuanfang des Kreislaufsystems ist das CPL-Service-Center mit seinem Pooling-Management. Hier laufen Lagerung, Sortierung, Aufbereitung, Reinigung, Auslieferung und Abholung zusammen.
„Reuse me“ sei das, was Cartonplast seit 33 Jahren mache. Dabei setze man ausschließlich auf Monomaterial-Lösungen aus Polypropylen (PP). Kunststoffzwischenlagen bilden das Herzstück im Pooling-System. „Die Zwischenlagen sind durchschnittlich 10 Jahre im Einsatz, zum Teil aber auch schon seit 30 Jahren“, so Rollinger.
Was Rollinger mehr als deutlich machte: „Mehrweg heißt viel Arbeit“. Dass Mehrweg so zurückkomme, dass er nur kurz gereinigt werden müsse, sei der Idealfall. „Oft aber sind die Sachen mit Öl oder Reifenabrieb kontaminiert. Damit sie im Kreislauf gehalten werden können, müssen sie aufgearbeitet und intensiv gereinigt werden.“
Davide Mazzanti, CEO von sykell
Wie sich der Übergang von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft beschleunigen lässt, führte Davide Mazzanti, CEO von sykell, den Teilnehmern anhand seines ganzheitlichen „Einfach Mehrweg“-Systems für To-Go-Speisen und -Getränke vor.
Mazzanti startete seinen Vortrag mit einer Zahl zum Verbrauch von Einwegverpackungen, der seit 2010 um 24 Prozent gestiegen ist. Entscheidend für mehr Mehrweg sei vor allem auch der Beweis, dass sich entsprechende Systeme skalieren lassen. „Das ist dringend nötig, weil wir noch weit entfernt sind von dem, was wir erreichen müssen“, so Mazzanti.
Die „Einfach Mehrweg“-Behälter von sykell erzeugen nach Mazzantis Angaben im Durchschnitt 91 Prozent weniger Abfall während ihres Lebenszyklus von 50 Umläufen und im Vergleich zu 50 Einwegverpackungen. Wo Einweg auf 2,1 Kilogramm Abfall kommt, stehen bei Mehrweg nur 200 Gramm in der testierten LCA-Analyse.
Die vollständig recycelbaren Behälter „werden aus dem Monomaterial Polypropylen (PP) hergestellt, und wir sorgen dafür, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer zu PP-Granulat recycelt werden und wieder in den Kreislauf gelangen“, betonte Mazzanti.
Der CEO stellte in der Folge das Plattform-Tool CIRCULAR ERP vor. In die „führende Asset-Management-Plattform für wiederverwendbare Produkte“ habe man „alle Learnings aus den letzten 3 reingepackt“, so Mazzanti. Es sei „die einzige Plattform, die in der Lage ist, einen pfandbasierten offenen Pool von Behältern über mehrere Kunden und Betriebspartner hinweg zu verwalten“. Eine solche Plattform ist nach Mazzantis Ansicht „eine wichtige Voraussetzung, um die Mehrweg-Einstiegshürde für Unternehmen zu senken“. Sie schaffe zwei notwendige Voraussetzungen für flächendeckendes Mehrweg: Automatisierung und Skalierung. Nur auf diese Weise lasse sich der Preisvorteil von Einweg kontern, der im Normalfall noch immer der entscheidende Faktor bei der Wahl einer Verpackung sei.
Veronika Pfender, Gründerin und Geschäftsführerin der dotch GmbH
Veronika Pfender, Gründerin und Geschäftsführerin der dotch GmbH, stellt der Tagung eine as-a-Service-Mehrweglösung aus Glas für Lebensmittel vor. Glas ist für Pfender nicht nur die preisgünstigste Einwegverpackung, sondern grundsätzlich ein ideales Material für den Lebensmittelkontakt. Allerdings „ist Einweg der Standard, und das zu einem hohen Preis“. Es stehe allein in Deutschland für eine Million Tonnen CO₂ jährlich, sei abhängig von Erdgas und verschwende knappe Ressourcen wie Quarzsand.
Die logische Frage: Warum nicht einfach Glas als Mehrweg? „Das ist erst einmal ein recht teures und aufwändiges Hobby“, so Pfender. Der Handel sei grundsätzlich Freund von Mehrweg, gleichzeitig aber auch der Flaschenhals für flächendeckende Lösungen. Der Grund: „Mehrweg ist anstrengend und mit seinen komplexen Prozessen sehr arbeitsintensiv. Es braucht Rückgabestellen, bringt hohe Umstellungskosten, erfordert aufwendige und kostenintensive Reinigung, einen anfangs deutlich größeren Behälterpool und viel Lagerplatz. Dazu kommen teure Rücklogistik, inkompatible Sekundärträger, individuelle Gebinde, komplexe Pfandprozesse und fehlende Standards für Leerguthandling“. Für den Handel sei es aus diesen Gründen wenig attraktiv, Mehrwegsysteme für Produkte von Lebensmittelherstellern aufzubauen.
In dieser Situation ist Mehrweg-as-a-Service für Produkthersteller ein attraktives Angebot. „Als Full-Service-Anbieter von Mehrwegverpackungen aus Glas kümmern wir uns um den gesamten Kreislauf, von der Auslieferung über Sammlung, Sortierung und Reinigung. Damit wird Mehrweg so einfach wie Einweg“, versprach Pfender.
Das Unternehmen ist Teil der Mehrweg-Logistik-Allianz, zu der auch sykell, circolution, MMP, zerooo und Wein-Mehrweg von Veralia gehören. Von seiner eigenen, mit dem Deutschen Verpackungspreis 2024 ausgezeichneten Glas-Mehrwegflasche mit Dosierung für vorverpackte Lebensmittel wie Öl, Essig oder Sirup hat dotch bislang 850.000 Stück produziert. Rund 360.000 Flaschen befinden sich im Umlauf und können an 1.300 Rückgabestellen abgegeben werden, darunter fast der gesamte Bio-Lebensmitteleinzelhandel.
Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
Grußwort des sächsischen Ministerpräsidenten
Hohen Besuch erhielt die Dresdner Verpackungstagung zum Ende des Donnerstagvormittags. Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, ehrte die Branche mit einem Grußwort. Kretschmer zeigte sich sehr offen und interessiert, sparte bei aller Freundlichkeit aber auch nicht an klaren Worten und ließ nach seinem Grußwort Fragen aus dem Auditorium zu.
„Ich habe gedacht, ich mache heute mal was Schönes nach den anstrengenden Verhandlungen der letzten Tage“, eröffnete Kretschmer. „Sie behandeln total spannende Themen. Dieses Land lebt von Innovation, darin haben wir investiert in den vergangenen drei Jahrzehnten und wir haben gemerkt, dass das Erfolg bringt.“
Der studierte Wirtschaftsingenieur ging in der Folge auf das immer schwieriger werdende Umfeld ein, in dem die Konjunkturschwäche für weniger Geld und zentrale Faktoren wie Energie und Löhne für steigende Kosten sorgten. „Wenn man teurer wird, als man besser ist, dann endet das Erfolgsmodell. Deshalb müssen wir ökonomisch erfolgreich bleiben, sonst wird das auch mit den Umweltthemen nichts. Die Energiewende muss neu gerechnet werden. Wir müssen das neu rechnen und wir müssen besprechen, was jeder beitragen kann“, stellte der Ministerpräsident fest.
Kretschmer sprach über Infrastruktur und Digitalisierung, wo Prozesse angepasst werden müssten. Darüber hinaus „müssen wir erst einmal über die Chancen reden und nicht schon im Vorfeld über Regulierungen“. Neben Bildung rückte der Ministerpräsident auch das Thema Arbeit und Work-life-Balance in den Fokus: „Die, die das aufgebaut haben, haben 40 Stunden gearbeitet und sie hatten nicht den Eindruck, dass ihnen dabei ein Zacken aus der Krone gebrochen ist. Wenn wir heute nur noch 30 Stunden arbeiten, dann sind das 25 Prozent weniger. Darüber müssen wir reden. In der Schweiz wird über das Jahr sechs Wochen länger gearbeitet als in Deutschland.“
Die Politik müsse für all das „Rahmen und Grundlagen geben und nicht im Weg stehen“. Kretschmer schloss: „Ich finde es spannend und innovativ, was sie hier auf die Beine stellen. Ich wünsche uns und auch Ihrer Branche, dass wir wieder richtig auf die Beine kommen. Denn wenn es in der Verpackungsindustrie richtig gut läuft, ist das ein Zeichen, dass es insgesamt gut läuft. Wir setzen auf Wachstum – für Zukunftsräume, Chancen und letztlich auch die Klimaschutzziele.“
Innovationslabors K3I-Cycling des KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft durch Künstliche Intelligenz
„Wir steigen ein in die Tiefen (oder Höhen) der Wissenschaft“, begrüßte Moderator Winfried Batzke die Teilnehmer nach der Mittagspause zurück im Saal. Auf dem Programm standen zehn Blitz-Vorträge von Wissenschaftlern und Forschern des Innovationslabors K3I-Cycling, zu dessen Partnern auch das dvi gehört. Das Labor arbeitet als Teilprogramm des staatlich geförderten KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen an intelligenten Lösungen zur Schließung des Kreislaufs.
So gab Malte Seefeldt, wissenschaftlicher Mitarbeiter Spritzgießen und Verfahrenstechnik des Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), Einblicke in das Thema Spritzgießen mit Rezyklaten und führte vor, wie eine ganzheitliche KI-basierte Optimierung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil aussehen kann.
Fabian Kayatz, zuständig für Verarbeitungsmaschinen in der Gruppe Prozesse und Maschinenintegration des Fraunhofer IVV, folgte mit dem Thema Thermoformen mit Rezyklaten. Das Kurzfazit: „Beim Thermoformen führt ein niedriger Rezyklatanteil von bis zu 25 Prozent zu ähnlichem Verhalten, allerdings bei geringerer Energie. Bei Verwendung höherer Anteile sind andere Einstellungen in der Anlage sinnvoll. Beim Siegeln ist der Einfluss des Rezyklats gering.“
Peter Désilets, Geschäftsführer von Pacoon, stellte den Teilnehmern zum Thema Verpackungsentwicklung unter anderem eine Studie zu Kaufbereitschaft und Konsumentenakzeptanz vor, die anhand von Hautcreme und Joghurt durchgeführt worden war. Zu den Ergebnissen gehört, "dass die Bereitschaft, mehr für PCR zu bezahlen, selbst bei nachhaltig eingestellten Konsumenten nicht vorhanden ist. Die grundsätzliche Akzeptanz von PCR ist im Kosmetikbereich höher als bei Lebensmitteln, wo Ekel und gesundheitliche Bedenken wichtige Faktoren darstellen.“
Ebenfalls von Peter Désilets kam die Vorstellung eines webbasierten Tools zur ökologischen Bewertung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil. Die erste Demoversion erlaubt die Bewertung von Monomaterial-Verpackungen aus Kunststoff mit bis zu vier Komponenten (Körper, Deckel, Verschluss und/oder Banderole), verschiedenen Kunststoffmaterialien (HDPE, LDPE, PP, PS, PET und PVC) und Herstellungsverfahren (Spritzguss, Thermoformung, Blasformung, Extrusion und andere mehr). Auch eine (teil-)automatisierte Bewertung auf Basis des digitalen Produktpasses (DPP) ist in begrenztem Umfang bereits möglich.
Dr.-Ing. Lukas Oehm, Leiter der Gruppe Verarbeitungsmaschinen, Digitalisierung und Assistenzsysteme am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, gab den Teilnehmern spannende Einblicke in das Thema Datenraum. Er stellte einen Semantischen Datenraum vor, „der sicherstellt, dass nur die Daten mit Kunden und Partnern geteilt werden, die geteilt werden sollen und nur das einsehbar ist, was einsehbar sein soll“. Die in Arbeit befindliche Lösung wird nach Oehms Auskunft ein „Open-Source-Angebot, so dass Anwender selber entscheiden können, wie sie das System warten, hosten, updaten oder ausbauen wollen“.
In fünf weiteren Kurzbeiträgen informierten über den Bildschirm zugeschalteten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen über Störstoffselektion durch Röntgen beim Sortierprozess (Susanne Schreiber-Regglin, Anwendungsspezialistin Methoden und Systeme des Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS), über Artifical Neural Twin am Beispiel der NIR-Detektion (Prof. Dr. Andreas Maier, FAU Erlangen-Nürnberg, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS), Abfallsammlung und Wertstoffpass (David Fahz, Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe IWKS), Multisensor Benchmark Datensatz für Leichtverpackungen (Lukas Roming, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB) und Bewerbung und Verbesserung von Rezyklaten (Pia Klingenberg, Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF).
Marcus Stein, CEO der watttron GmbH, und Dr. Thomas Gröner, selbstständiger Berater und watttron-Aufsichtsratsmitglied
PPWR, flexible Verpackungen und digitales Heizen
Marcus Stein, CEO der watttron GmbH, und Dr. Thomas Gröner, selbstständiger Berater und watttron-Aufsichtsratsmitglied, gingen in ihren Vorträgen der Frage nach, was die PPWR für flexible Verpackungen bedeutet und wie sich die daraus ergebenden Herausforderungen lösen lassen.
Gröner gab den Tagungsteilnehmern zu Anfang einen sehr guten und kompakten Überblick zu den „Highlights“ und dem Zeitplan der neuen Packaging and Packaging Waste Regulation. Er verwies darauf, dass „der Spaß mit der PPWR noch nicht vorbei ist. Es wird wohl mindestens 70 sekundäre Rechtsakte zur Umsetzung geben.“
In Bezug auf die vorgeschriebene Recyclingfähigkeit sei noch unklar, was die festgeschriebenen drei Kategorien von 70, 80 und 90 Prozent konkret bedeuten. Sicher sei, dass die EPR-Systeme mit einem Ökomodulationssystem ausgestattet werden müssten. In Bezug auf den Mindestrezyklatanteil in Kunststoffverpackungen habe der Gesetzgeber vier Gruppen definiert, die bis 2030 bzw. 2040 unterschiedliche Anforderungen erfüllten müssten. Der Mindest-PCR-Anteil liege entsprechend zwischen 10 und 35 Prozent in 2030 sowie 25 und 65 Prozent in 2040. Unklarheiten gebe es auch im Bereich biobasierter Rohstoffe in Kunststoffverpackungen. Hier werde die Kommission 2027 die „Möglichkeit prüfen, dass biobasierte Kunststoffrohstoffe anstelle von recycelten Kunststoffrohstoffen verwendet werden können, falls keine geeigneten Recyclingtechnologien für Verpackungen mit Lebensmittelkontakt zur Verfügung stehen.“
Das Fazit von Gröner: „Zur Problemlösung braucht es die Zusammenarbeit in der Kette. Da wird noch sehr viel Arbeit vor uns liegen.“
Marcus Stein nahm den Ball auf und betrachtete das Problemfeld der flexiblen Verpackungen. „Vor drei Jahren haben viele Markenartikler ambitionierte Ziele verkündet, die jetzt in die Zukunft geschoben werden. Das hat Gründe. Eine besondere Herausforderung sind flexible Verpackungen. Wir haben in Europa jährlich 8,4 Millionen Tonnen flexibler Verpackungen. 3,2 Millionen Tonnen davon sind Verbundfolien, die nur eingeschränkt recycelbar sind“, so Stein.
Das Dilemma sei, dass Lebensmittelverpackungen hohe Anforderungen an die Funktionalität stellen, die von flexiblen Verpackungen eingelöst werden könnten. Gleichzeitig aber ließen sich die EU-Recyclingziele für 2030 nur dann erreichen, wenn flexible Verpackungen ihren Beitrag dazu leisten. Dafür sind nach Überzeugung von Stein wirtschaftliche Lösungen nötig: „Breiter Wandel entwickelt sich nur bei kosteneffizienten Lösungen von geringen Materialkosten und maximalem Output.“
Ein Weg, die Herausforderungen rund um die Recyclingfähigkeit flexibler Verpackungen zu lösen, ist für Stein das „Digitale Heizen“ in der Maschinentechnik. Die Technologie von watttron ermögliche es Konsumgüterproduzenten, weiterhin auf flexible Verpackungen zu setzen, weil diese dann auch aus Monomaterial gefertigt werden können. „Wird Mono-PP mit herkömmlichen Siegelsystemen bearbeitet, führt das aufgrund von erhöhtem Ausschuss, Anlaufverlusten, geringerer Maschinengeschwindigkeit und häufigeren Maschinenstopps zu Produktivitätsverlusten von rund 5 Prozent. Bei dieser Ausgangslage warten die Unternehmen dann oft bis zum letzten Augenblick, also bis die Gesetze sie tatsächlich zwingen.“
Stein stellte den Teilnehmern die Leistungsfähigkeit des digitalen Siegelns anhand einer Mono-PP-Case-Study zur Massenproduktion von Fertigmahlzeiten vor. Die Ergebnisse zeigten keinerlei Nachteile. Optimal sei auch, dass die Technologie für nahezu jeden Verpackungsprozess von VFFS über HFFS bis hin zu FFS geeignet sei und bei nahezu allen Maschinenbauern eingesetzt werden könne.
Dr. Louisa Desel, Co-Gründerin von Osphim
Fünf Start-ups mit spannenden Lösungen
Zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages schlug die Uhr Start-up. Fünf Lösungen von KI-gestützter Prozesseinrichtung über neue Materialien und Coatings bis hin zu Mehrweg und Wasserstoff aus Abfall erregten Aufmerksamkeit, erweiterten den Horizont und schufen neue Spielräume.
Dr. Louisa Desel, Co-Gründerin von Osphim, präsentierte KI-gestützte Prozesseinrichtung für maximale Effizienz und höchste Präzision beim Spritzguss. Angesichts der Tatsache, dass Kunststoffverpackungen allgegenwärtig sind, müsse man sicherstellen, dass ihre Herstellung präziser, ressourcenschonender und zukunftsfähig wird. Das gelinge mit dem „Optimized Systems (for) Plastics (&) High-Performance Intelligent Manufacturing“, kurz Osphim. So lassen sich laut Desel gegenüber der konventionellen Prozesseinrichtung 70 Prozent des Zeitaufwands einsparen. Mittels KI könne man schnell und effizient mit Daten lernen und bei weniger Ausschuss sowie geringerem Materialbedarf robuste Produkte herstellen. Das digitale Ökosystem von Osphim lässt sich laut Desel in Form einer Box problemlos an die existierende Hardware anbinden. Im Hintergrund arbeite das Osphim-Web, das ein Asset-Management, Prozesseinstellungen und Prozessüberwachung ermögliche. „Bei Fehlern oder Störungen kann gleich detektiert und nachgebessert werden“, so Desel.
Anniki Lochmann, Projektmanagerin und Organisationsentwicklerin bei PROSERVATION
Ein ökologisches und nachhaltiges Verpackungsmaterial aus Getreidespelzen stellte Anniki Lochmann, Projektmanagerin und Organisationsentwicklerin bei PROSERVATION, vor. Die RECOU genannte Lösung ermöglicht für Lochmann „zirkuläre Bioökonomie und damit Chancen für eine nachhaltige Verpackungswirtschaft“. Die Getreidespelzen sind pflanzliche Nebenprodukte, die in großen Mengen anfallen und weitgehend ungenutzt bleiben. Allein für Dinkel und Deutschland summiere sich die Menge auf über 125.000 Tonnen. Der aus den Spelzen und mit Hilfe eines natürlichen, stärkefreien Bindemittels produzierte Packstoff Recou ist „polsternd, isolierend, leicht, formbar, veredelbar, reststoffbasiert, kompostierbar und nachwachsend. Eine Skalierung ist dank sinnvoller Lizenzierung überall dort möglich, wo geeignete Reststoffe sind. Das können auch Spelze von Hafer, Gerste oder Mais sein“, fasst Lochmann die Vorteile zusammen.
Henry Spiering, Produktionsleiter der Wax Solutions GmbH
Biobasierte Barriere-Coatings für Verpackungspapiere präsentierte Henry Spiering, Produktionsleiter der Wax Solutions GmbH. Die fossilfreien Beschichtungen für Papierverpackungen werden aus Wachs, aber auch aus anderen biologischen Stoffen hergestellt. Spiering bezeichnete die Lösung als „ein 100 Prozent biobasiertes Ready-to-Use-Coating, das ein vollständig natürliches Binder-System verwendet, Barriereeigenschaften gegen Wasser, Wasserdampf und Fett aufweist, siegelfähig und recyclingfähig ist“. Zudem fielen Verpackungen mit den Coatings von Wax Solution nicht unter die Single-Use-Plastic-Direktive (SUPD).
Robert Nave, CEO der Green Hydrogen Technology GmbH
Günstiger Wasserstoff aus Abfall, der sonst zur Verbrennung gehen würde, stand im Zentrum des Vortrags von Robert Nave, CEO der Green Hydrogen Technology GmbH. „Ich wollte Ihnen zeigen, was Sie mit Ihren nicht-recycelbaren Abfällen machen können, außer sie zu verbrennen. Wir schaffen damit eine neue Wertschöpfungskette“, so Nave. Aus nicht recycelbaren Abfällen (biogene oder nicht-biogene Reststoffe) werde dezentral (vor Ort beim Kunden) und mit minimalem Energieaufwand (über die patentierte GHT-Technologie) klimaneutraler Wasserstoff und flüssiges CO₂ in Lebensmittelqualität. Die Kosten des produzierten Wasserstoffs liegen nach Auskunft von Nave bei unter 1,5 Euro pro Kilogramm, was auch an dem minimalen Bedarf an externer elektrischer Energie von nur 10 kWh pro kg liege. „Das steht nicht nur auf dem Papier. Im Großraum Stuttgart geht gerade die erste Anlage in Betrieb. Wir haben die Technologie zur Plattformtechnologie entwickelt. Wir bringen Anlagenbauer sowie Anlagenfinanzierer mit und kümmern uns um die effiziente Vermarktung von CO₂, H₂ und Zertifikaten“, verspricht Nave.
Rudi Siegle, Geschäftsführer von reuse.me
Deutschlands größtes Netzwerk für die Rückgabe von Versandverpackungen stellte Rudi Siegle, Geschäftsführer von reuse.me, vor. Siegle betonte, dass wir nur über Mehrweg die Situation im Onlinehandel lösen können. „Allein in Deutschland wurden 2022 4,5 Milliarden Pakete versendet, die zu 1,5 Millionen Tonnen Abfall und 3 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen geführt haben. Im Durchschnitt verschwenden wir pro Sekunde 50 kg Karton“, so Siegle. Was die Mehrweglösung angeht, habe man festgestellt, dass Karton das beste Material sei. „Hindernisse sind unablösbares Branding und Versiegelung“, so Siegle. Bei reuse.me setzt man deswegen auf dünne, aufreißbare Papierbanderolen. Man biete die Lösung als „Packaging-as-a-Service“ in Kombination mit „Software-as-a-Service“ an. Für die insgesamt 19 Versandboxen werde 25 Cent Pfand erhoben, die bei der Rückgabe über ein Voucher-System erstattet würden. Die nächste Abgabestelle lasse sich per Smartphone über eine Karte ermitteln. Über einen speziellen ID-Sticker können Versender auch ihre eigenen Verpackungen in den Recycling-Loop von reuse.me bringen.
Start in den Freitag: PPWR und Innovationen
„Im Plenarsitzungsdokument des EU-Parlaments zur Annahme der PPWR gab es das Wort ‚Innovation‘ auf 344 Seiten unter 61.905 Wörtern genau vier Mal. Das ist ziemlich erschreckend. Und doch hat die PPWR Auswirkungen auf Innovationen und treibt diese auch voran, weil man Lösungen finden muss, die man vorher noch nicht hatte. Wie man die rechtlichen Vorgaben nutzen muss, um Innovationen voranzubringen, zeigen wir heute anhand von fünf Beiträgen“, leitete Moderator Winfried Batzke den zweiten Tag der Verpackungstagung ein.
Robert Hueber, Business Unit Director Packaging von Herrmann Ultraschall
Valuetainable in die Packaging-Zukunft mit Ultraschall
Robert Hueber, Business Unit Director Packaging von Herrmann Ultraschall, zeigte in seinem Vortrag, „wie sich die Verpackung der Zukunft mittels Ultraschalltechnologie wert- und nachhaltig gestalten lässt“. In den Augen von Hueber hat die Transformation der Verpackungsindustrie in Richtung Kreislaufwirtschaft begonnen, auch wenn vieles noch unklar bleibe. Hueber fragte: „Wie wird die Zukunft sein?“ Seine Antwort: „Abwarten ist keine Option. Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden.“ Als warnendes Beispiel könne die Automobilindustrie dienen. Das beste Mittel, um der Verpackungsindustrie dieses Schicksal zu ersparen, sei technologische Innovation. „Am besten auf Game-Changing-Level. Mit viel Kundennutzen. Hier die Marktführerschaft auszubauen, sollte unser Ziel sein“, so Hueber.
Ultraschall ist nach Ansicht von Hueber eine Technologie, die Game-Changing-Potential mit sich bringt. „Wir sind da Weltmarktführer. Wir gehen an die physikalischen Grenzen und wir gehen die Extrameile mit den Kunden, um die Lösung vor Ort in der Fabrik zum Laufen zu bekommen. Wenn es mal läuft, dann läuft es immer. Dann muss man nur noch einschalten und ausschalten. Das ist das Tolle bei Ultraschall.“
Ein weiterer Vorteil: „Ultraschall schafft sehr schlanke Nähte. Je dünner die Naht, desto materialsparender ist es. Das Kopfraumvolumen von Verpackungen kann verringert werden, was 10 bis 20 Prozent Verpackungsmaterial einspart.“ Auch bei der Geschwindigkeit lege man stetig weiter zu. „Wir haben Siegelzeiten von 90 bis 180 Millisekunden, schaffen mehr Durchsatz bei mehr Qualität“, so Hueber.
Der Abschluss des Vortrags war ein positiver Appell: „Europa hat noch viele Potentiale, zum Beispiel einen ausgeprägten und universitär gestützten Forschungsbereich, dazu Gesetze, Regeln und Werte, auf die wir stolz sein können. Hermann Ultraschall folgt den Werten Nachhaltigkeit plus Wirtschaftlichkeit plus Kultur. Let‘s make Europe together Valuetainable.“
Lena Lembach, Senior Specialist Packaging Development der Müller Service GmbH, und Dr. Frank Eisenträger, ECO & Market Development Manager von INEOS Styrolution
Der ideale Kreislauf – PS-Rezyklat im Joghurtbecher
Wie zwei Marktführer den Weg zum idealen Kreislauf gehen, erfuhren die Tagungsteilnehmer von Lena Lembach, Senior Specialist Packaging Development der Müller Service GmbH, und Dr. Frank Eisenträger, ECO & Market Development Manager von INEOS Styrolution. Im Fokus stand dabei Polystyrol-Rezyklat im Joghurt-Becher.
Nach Überzeugung von Lembach sind Polystyrol und Molkereiverpackungen eine tolle Kombination. Ziel der Zusammenarbeit war ein Becher mit 30 Prozent mechanisch recyceltem r-PS aus Post-Consumer-Rezyklat (PCR). „Das war das Ziel und das haben wir erreicht. Ab Anfang 2025 steht der Becher in Ihrem Supermarkt um die Ecke“, kündigt Lembach an.
Trigger und Hintergrund der Entwicklung waren künftige Anforderungen der PPWR, Schritte in Richtung der gesetzten SBTi-Ziele (Science Based Targets Initiative) zur Reduktion von CO₂-Emissionen und nicht zuletzt Anforderungen seitens des Handels. Wichtig war den Projektpartnern zudem die Einhaltung der 2022/1616 „Novel Technology“ zum Einsatz von Rezyklat in Lebensmittelkontaktmaterial. „Wir gehen eindeutig in Richtung mechanisches Recycling“, stellte Lembach dazu fest. Im Vergleich zu PP sei der Markt für PS zwar recht klein, aber gerade für mechanisch gewonnenes Rezyklat von großer Bedeutung.
Auch darüber hinaus sprechen nach Ansicht von Lembach und Eisenträger diverse Eigenschaften für das Material: „Es ist ein Werkstoff, der sich sehr gut und sehr schnell verarbeiten lässt. Er ist prädestiniert für FFS-Anlagen, kann sehr gut, präzise und mit dünnen Wänden in Form gebracht werden, erzeugt wenig Abfall, hat im Vergleich zu PET ein geringes Gewicht und wird in Sortieranlagen einfach erkannt, da es keine PS-Verbunde gibt.“ Eine weitere Stärke von PS sei auch die spezielle Eignung für Produkte, bei denen Gasaustausch sichergestellt werden müsse, wie beispielsweise bei Buttermilch. Der leichte Farbunterschied von Rezyklat im Vergleich zu Virgin-Material sei selbst für das Marketing kein Hinderungsgrund mehr, eher im Gegenteil, wie Tests mit Konsumenten gezeigt haben.
Lembach und Eisenträger schilderten den Entwicklungsweg, der von umfangreichen Tests begleitet worden war. Neben der Farbfreigabe durch Marketing und Konsumenten ging es dabei um Migration und Konformität, Sensorik, technische Verarbeitung, Druckfreigabe, Verpackungsprüfung und Transport.
Das gemeinsame Projekt von Müller und INEOS wurde unter Beteiligung von PreZero, Lidl und weiteren Partnern der Wertschöpfungskette umgesetzt. Es soll zum Vorreiter für weitere Anwendungen werden, denn das Fazit der Entwicklung fällt sehr positiv aus: „Wir sind sehr stolz, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Es ist ein Zwischenziel, aber ein sehr erfolgreicher Schritt. Es gab viele Kritiker, die das nur im Rahmen von chemischem Recycling möglich sahen. Aber es geht mit mechanischem Recycling. Noch ist das etwas teurer als Virgin-Material aber das kann, soll und wird sich ändern“, ist sich Lembach sicher. Voraussetzung dafür seien Mitstreiter und mehr Zusammenarbeit. Es gelte, die Nachfrage nicht erst 2029 oder 2030 anzugehen, sondern schon jetzt und Schritt für Schritt.
Arno Melchior, Global Packaging Director von Reckitt
Vom Plastikregen in die Papiertraufe
Was passiert, wenn man Verpackungsmaterialien ersetzt, ohne sich ausreichend Gedanken über die Auswirkungen zu machen? Diese Frage beleuchtet Arno Melchior, Global Packaging Director von Reckitt, in seinem sehr pointierten und mit vielen Zahlen hinterlegten Vortrag.
Nach Überzeugung von Melchior werden zu oft Rechnungen aufgemacht, die schlicht viel zu einfach seien. Das gelte speziell bei der Substitution von Kunststoff durch Lösungen aus Glas oder faserbasierten Materialien. Melchiors Appell: „Schauen Sie sich nie generelle Daten an. Schauen immer auf spezifische Anwendungen und machen Sie ein Life-Cycle-Assessment dazu.“
Der Global Packaging Director präsentierte dem Auditorium zu Anfang gängige Charts zur Umweltbilanz von Verpackungsmaterialien, um diese Zahlen danach anhand von konkreten Anwendungsfällen richtig zu rücken. „Das, was im Chart schlecht aussieht, ist real oft besser“, so Melchior. Erste Indizien dafür liefere schon ein Vergleich der Produktmenge, die sich mit dem jeweiligen Packstoff verpacken lasse. So zeigt sich am Beispiel von 500 ml Behältern für flüssige Lebensmittel, dass ein Gramm PET 17,6 ml, ein Gramm Aluminium 26,9 ml und ein Gramm Glas 1,5 ml verpacke.
Anhand eines Cases zu Softdrinks belegte Melchior beispielsweise, dass PET-Glas in fast allen Belangen überlegen ist. Vom Gewicht (330 ml Glas 190 Gramm, 330 ml PET 12,99 Gramm) über den Transport (ein PET-LKW ersetzte 62 Glas-LKW) und die Effizienz (rund 6 Prozent Verluste in der Produktion durch Glasbruch, dazu kommen erhöhte Materialaufwände und Zeitverluste durch erforderliche Reinigung der Linie) bis hin zu einem Transportmehraufwand von 3,3 Millionen LKW-Kilometern.
Auch weitere Beispiele wie der Vergleich von PET zu neuartigen „Papierflaschen“ oder eine Case-Study aus England zu Chips, die von Verbundbeuteln auf Karton umgestellt wurden, ergaben ähnliche Ergebnisse. „Toll, wenn man 250.000 Tonnen Plastik sparen kann. Aber nicht so schön, wenn man dafür 2,7 Millionen Tonnen Karton investieren muss“, so Melchior.
In seinem Fazit stellte Melchior fest, dass Papier zumindest theoretisch als Lösung denkbar sei, auch wenn der Rohstoff Holz bereits jetzt knapp sei und für andere, hochwertigere Anwendungen benötigt werde. Glas falle hingegen schon aufgrund der erforderlichen Menge von vornherein aus. Kunststoff trumpfe dagegen in fast allen Kategorien.
Helena Bomholt, Nachhaltigkeitsmanagerin der Dirk Rossmann GmbH und Daniel Römhild, Head of Sales / Authorized Representative von Bio Plastics & PCR Recycling
Helena Bomholt, Nachhaltigkeitsmanagerin der Dirk Rossmann GmbH und Daniel Römhild, Head of Sales / Authorized Representative von Bio Plastics & PCR Recycling
PackAGEing – wie die Verpackungen fit im Alter bleiben
Helena Bomholt, Nachhaltigkeitsmanagerin der Dirk Rossmann GmbH, zeigte anhand von zum Teil erstmals präsentierten, neuen Lösungen, welche Punkte Rossmann bei der Entwicklung nachhaltiger Verpackungen fokussiert. „28 Eigenmarken mit mehr als 5.000 Artikeln bringen eine gewisse Verantwortung mit sich“, so Bomholt. Unterstützung erhielt sie vom Projektpartner Daniel Römhild, Head of Sales / Authorized Representative von Bio Plastics & PCR Recycling.
Grundlegender Parameter der Arbeit ist eine Steigerung der Lebenserwartung von Verpackungsmaterial, wobei Gesetzesvorgaben auch als Antrieb für Innovationen verstanden werden müssten. Vier Punkte stehen dabei im Mittelpunkt. Vermeidung, also der Verzicht auf Material und möglichst ganze Bestandteile wie beispielsweise Faltschachteln. Verminderung, also die Reduktion von Material in Bezug auf Wandstärken, aber auch durch die Verwendung von Konzentrat, was kleinere Verpackungen ermöglicht. Verwertung, also der Einsatz von Rezyklat, und Verbesserung, also eine bestmögliche Rezyklierbarkeit.
Bomholt stellte den Ansatz und Entwicklungsprozess von Rossmann für die Punkte Recyclingfähigkeit und Rezyklateinsatz im Detail dar und zeigte dabei auch konkrete Beispiele wie den Test von Papierverpackungen für Schokolade. „Wir haben das ifeu-Institut im Oktober 2024 beauftragt, eine vergleichende Ökobilanz verschiedener Schokoladenverpackungen durchzuführen. Dabei ging es um eine Primärverpackung aus Papier mit 5 Prozent Kunststoffanteil und eine Primärverpackung aus PP-Folie. Im Ergebnis schneidet die PP-Folie in der Umweltwirkungskategorie ‚Klimawandel‘ deutlich schlechter ab, dafür in allen anderen Kategorien besser“, berichtet Bomholt. Unter dem Strich steht also für keine der Varianten ein eindeutiger ökobilanzieller Vorteil.
Ein weiterer Case war eine erstmals öffentlich vorgestellte Verpackung für Feuchttücher mit 30 Prozent Rezyklatanteil und eine Top-Tube für Naturkosmetik. Hier „hat es etwas gedauert, bis wir eine zufriedenstellende Verschlusslösung gefunden haben. Aber gemeinsam mit den Herstellern haben wir letztlich ein schönes Ergebnis erreicht. Konkret konnten wir den Rezyklatanteil erhöhen, die Wandstärke reduzieren und als Highlight beim Verschluss 6 Gramm Material einsparen“, so Bomholt.
Im Fazit ihres Vortrages konstatierte die Nachhaltigkeitsmanagerin, dass es schon gut gelinge, dem Material mehrere Leben zu schenken, das Potential aber noch lange nicht ausgereizt sei. Mit Blick auf die PPWR sei noch vieles unklar oder scheine kaum lösbar. „Wir müssen es aber versuchen, auch in Bereichen, in denen es den Konsumenten vielleicht gar nicht auffällt, zum Beispiel, wenn der Rezyklatanteil von 30 auf 60 Prozent steigt“, so Bomholt. Grundlegend für den Erfolg sei Innovation durch Kooperation. Es gelte, mit Geschäftspartnern und deren Partnern gemeinsam nachhaltig zu handeln.
Jonas Boland, Gründer und CEO der Packmatic GmbH und Tobias Linnardi, Head of Packaging Engineering
Wandel meistern: Materialwechsel und digitales Verpackungsmanagement
Die Herausforderungen durch Materialwechsel und beim digitalen Verpackungsmanagement werden in Zukunft immer größer. Den Umfang des anstehenden Wechsels verdeutlicht die Tatsache, dass nach Auskunft von Jonas Boland, Gründer und CEO der Packmatic GmbH, „2025 nur 11 Prozent der Verpackungen im Einsatz nach PPWR als recyclingfähig gelten. Wir sehen also gerade erst die Spitze des Eisbergs. Und man wird nicht für jede neue Herausforderung neues Personal einstellen können.“ Auch mit Blick auf Preise gebe es große Herausforderungen: „Alle wollen den Wandel, alle wollen nachhaltiger werden, aber kostenseitig soll es neutral sein.“
Abhilfe und Zukunftssicherheit versprachen Boland und Tobias Linnardi, Head of Packaging Engineering, durch den Einsatz von digitalen Tools zur Konformitätsprüfung, zum Verpackungsmanagement und für einen optimierten Einkauf, die Packmatic auf seiner digitalen Plattform zur Verfügung stellt.
So werde die Konformität mit Regulatorik wie der PPWR auf Grundlage der Materialien automatisiert geprüft. Dazu werde das Tool Packa eingesetzt, das Lücken und Handlungsbedarf automatisch ermittelt. Allerdings „werden sich mit der PPWR nicht nur Materialien ändern, sondern auch die Art und Weise, wie reportet werden muss.“ Diese Prozesse laufen oft noch händisch. Es häufen sich unterschiedliche PDF- und Excel-Dateien.“ Dadurch fehle nicht nur die Transparenz im eigenen Verpackungsportfolio, sondern auch die Datengrundlage für das Reporting.
Während es in anderen Geschäftsbereichen wie beispielsweise im Personalbereich schon längst üblich ist, auf digitale Tools zu setzen, gibt es laut Boland im Verpackungsmanagement und der Konformitätsprüfung immensen Nachholbedarf. „Man muss extrem fit werden in seiner Organisation. Es kommt eine ganze Welle an ESG-Vorschriften und der Mittelstand hat 500 bis 2000 Verpackungen in seinem Portfolio.“
Digitale Einkaufsplattformen und Tools sind nach Bolands Ansicht Game-Changer, um den optimalen Lieferanten für seine individuelle Produktverpackung mit Blick auf Kosten und Nachhaltigkeit zu finden, dabei Konformität sicherzustellen und Effizienz sowie Transparenz bei Einkauf und Verwaltung von Verpackungen zu garantieren. „Wir haben mehr als 350 qualifizierte Hersteller aus ganz Europa in unserer Datenbank, können auf einen Schlag hunderte von Spezifikationen abgleichen und verbessern unsere Prozesse bei der Qualifikation fortlaufend. Dazu haben wir auch Best Practices etabliert, um die Erfolgsquote kontinuierlich zu erhöhen.“ Verpackungsingenieure begleiten dabei den gesamten Prozess bis hin zum Einsatz der Verpackung beim Kunden vor Ort. Unter dem Strich stehe für Kunden neben Transparenz, Effizienz und Zukunftssicherheit eine durchschnittliche Kostenersparnis von gut 16 Prozent und ein Zeitgewinn von über 70 Prozent.
Hausmesse am Vortag
Bereits einen Tag vor der Tagung hatten die watttron GmbH und die FormerFab GmbH im nahegelegenen Freital zu Hausmessen geladen. Eröffnet wurde der Tag von Prof. Jens-Peter Majschak von der TU Dresden und Nicola Lelli von der Alliance to End Plastic Waste mit inspirierenden Eröffnungsworten – denn Sachsen und insbesondere Dresden und Freital sind schon seit Jahrzehnten Hotspots des Maschinenbaus und der Technologie für Verpackungen.
Mehr als 70 Gäste konnten sich an sechs verschiedenen Stationen die Arbeit von watttron, die mit innovativer Siegeltechnologie energieeffizient Verpackungen verschließen, und von FormerFab, die mit ihren Formschultern insbesondere Papier auf vertikalen und horizontalen Verpackungslinien mit höchsten Geschwindigkeiten zum Laufen bringen, anschauen.
Watttron und FormerFab wurden unterstützt von ihren Industriepartnern ILLIG packaging solutions GmbH, GEA Group, VELTEKO und Thomas Gröner. Die innovativen Stationen weckten viel Neugier und waren Anlass für lebhafte Diskussionen.